Nach einer perfekten Gruppenphase wartet im EM-Viertelfinale Österreich auf die DFB-Frauen. Der Druck lastet dabei auf Seiten der deutschen Mannschaft.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat natürlich gewusst, dass die fast exakt 55 Meilen, die von Milton Keynes ins deutsche Teamquartier im Westen von London führen, eine gewöhnungsbedürftige Fahrstrecke sind. Es geht durch gefühlt unzählige wie unübersichtliche Kreisverkehre; an Schlaf ist bei solch einer unruhigen Fahrt nicht zu denken.
Deshalb hatte Voss-Tecklenburg auch darauf bestanden, dass die Teambusse am Samstagabend nach dem dritten Gruppenspiel gegen Finnland (3:0) pünktlich eine Stunde vor Mitternacht abfahren. Denn ihre Losung lautete: "Ab 23 Uhr geht der Fokus auf Österreich." Auf das prestigeträchtige Viertelfinale gegen den Nachbarn am kommenden Donnerstag (21 Uhr) dann wieder im vertrauten Community Stadium von Brentford.
Makellose Vorrunde der DFB-Frauen
Im letzten Gruppenspiel gegen Außenseiter Finnland hatte es einen Pflichtsieg gegeben, den die Bundestrainerin als "seriös, aber nicht brillant" einstufte. Zumindest in der ersten Halbzeit deutete die notgedrungen auf vier Positionen veränderte Startelf mit flüssigem Kombinationsfußball an, zu was sie in der Lage ist, doch letztlich war der Gruppenletzte aus Skandinavien eher Sparringpartner als Gradmesser.
"Wir haben die erste Halbzeit schnell, gut und attraktiv gespielt, uns aber nicht belohnt", sagte die zur Spielerin des Spiels gewählte Linda Dallmann, "die zweite Halbzeit hat das Tempo gefehlt". Letztlich raubten weitere Wechsel den Rhythmus. Trotzdem war die Bundestrainerin unter dem Strich zufrieden: Auf eine Vorrunde mit neun Punkten und 9:0 Toren hätte man mit einer Wette "viel Geld verdienen können", so die 54-Jährige.
Alle Feldspielerinnen haben EM-Minuten gesammelt
Alle 20 Feldspielerinnen haben nun das Gefühl, bei dieser EM gebraucht zu werden, weil am Ende sogar die ansonsten auch als Kabinen-DJ geschätzte Laura Freigang in der Schlussphase mitspielte: "Das bedeutet mir sehr viel."
Ihre Vereinskolleginnen von Eintracht Frankfurt, Nicole Anyomi und Sophia Kleinherne, erzielten als Backup für die Außenbahnen in der Viererkette jeweils ihr erstes Länderspieltor. Der dritte Treffer ging auf das Konto von Alexandra Popp, die nun in jedem EM-Spiel getroffen hat.
Mit den abgelaufenen Gelbsperren für Felicitas Rauch und Lena Oberdorf, einer nach Corona-Erkrankung auf dem Wege der Besserung befindlichen Lea Schüller und den bald auch wieder einsatzbereiten Lina Magull und Sydney Lohmann kann die Bundestrainerin gegen Österreich wohl wieder auf ihre Wunschelf zurückgreifen.
13 Bundesliga-Legionärinnen im ÖFB-Kader
Keinen Gegner kennt die deutsche Mannschaft besser, denn in Österreichs Aufgebot stehen aktuell 13 Akteurinnen bei Vereinen in der Frauen-Bundesliga (FC Bayern, Eintracht Frankfurt, 1. FC Köln, TSG Hoffenheim, Werder Bremen) unter Vertrag.
Eine Anspielung auf die Partyköniginnen dieser EM, die mit ihrer Musikanlage nicht nur Pressekonferenz und Mixed Zone beschallen, sondern nach dem 1:0 gegen Norwegen in Brighton gleich auch ein ganzes Stadion.
Die Bundestrainerin meinte: "Gratulation. Sie sind total verdient gegen Norwegen weitergekommen. Das ist kein Zufall." Die von ihr als "verschworene Gemeinschaft" titulierten ÖFB-Frauen zehren von einem besonderen Teamgeist. "Das wird kein Spaziergang", warnte Voss-Tecklenburg.
Bundestrainerin unter Druck
Sie weiß: Damit ihr zweites Turnier mit dem DFB-Team wirklich als Fortschritt verbucht werden kann, reicht die beste EM-Gruppenphase seit 2005 für den Rekordeuropameister nicht.
Ein Scheitern im Viertelfinale wie bei der EM 2017 und WM 2019 darf es diesmal nicht geben - diesem Druck müssen sich die deutschen Fußballerinnen stellen. Und so forderte die Bundestrainerin unmissverständlich:
Dann würde es übrigens zum Halbfinale wieder raus nach Milton Keynes gehen.