HSV gegen Hertha: Die Wucht der Tradition

Topspiel in der 2. Liga:HSV gegen Hertha: Die Wucht der Tradition

von Ralf Lorenzen

10.08.2024 | 07:22

Die Dichte an Traditionsklubs in der 2. Liga ist so hoch, dass der Spielplan jede Woche absolute Highlights bietet. Der HSV empfängt nach dem Sieg beim 1. FC Köln nun Hertha BSC.

Cristian Fiel ( Trainer 1. FC Nürnberg / FCN ) Steffen Baumgart (Trainer Hamburger SV HSV ) unterhalten sich nach Elfmeterentscheidung

HSV-Trainer Steffen Baumgart (rechts) und Cristian Fiel, damals noch Trainer des 1. FC Nürnberg.

Quelle: Imago

9:4 ist im Fußball ein seltenes Ergebnis. Es drückt allerdings exakt die unterschiedliche Situation der Gründungsmitglieder der Bundesliga aus. Neun dieser Traditionsclubs spielen aktuell in der 2. Liga - und damit mehr als jemals zuvor. Lediglich vier (Borussia Dortmund, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt und Werder Bremen) sind in der kommenden Saison erstklassig. Dieses Verhältnis ist ein Grund dafür, dass wieder einmal von der "besten 2. Liga aller Zeiten" die Rede ist.

HSV erstmals seit 1954 Nummer zwei in Hamburg

"Die Ausgeglichenheit der Liga hat schon am ersten Spieltag gezeigt, wie eng das alles ist", sagt der Trainer des Hamburger SV, Steffen Baumgart, vor dem Spiel gegen Hertha BSC. Der HSV hat beim Saisonstart gegen einen weiteren ehemaligen Bundesliga-Dino, den 1. FC Köln, zwar mit 2:1 gewonnen. Der Klub geht nach dem Aufstieg des FC St. Pauli aber mit dem unbekannten Gefühl in seine siebte Zweitliga-Saison, erstmals seit 70 Jahren nicht einmal mehr in der eigenen Stadt die Nummer 1 zu sein.

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Der Gegner Hertha BSC kennt dieses Gefühl zwar auch, hatte aber seit dem Erstliga-Aufstieg von Union Berlin schon fast vier Jahre Zeit, sich an den neuen Status zu gewöhnen. Dafür vollzog sich der eigene Absturz wesentlich rapider - es ist gerade einmal drei Jahre her, dass der damalige Investor Lars Windhorst vom "Big City Klub"sprach, den er mit seinem Geld nach Europa führen wollte.

Größenwahn mit Investoren-Abhängigkeit bezahlt

Der langsame Abstieg des HSV setzte dagegen bereits 2010 ein. Die Versuche, ihn mit einer Schuldenpolitik stoppen zu wollen, führte den Klub ebenso wie Hertha in die finanzielle Abhängigkeit von einem Investor. Beim HSV hält der Milliardär Klaus-Michael Kühne 15,21 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft, bei Hertha gehören dem US-Investment-Konzern 777Partners gar 78,8 Prozent. Während Kühne seine Anteile wohl gern erhöhen würde, halten sich in Berlin seit Wochen Gerüchte, dass 777Partners seine Anteile aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wieder verkaufen wollen.

Ein Laufduell um den Ball zwischen Bakery Jatta (Hamburg) und Julian Pauli (Köln) beim Auftaktspiel der 2. Bundesliga.

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Unterschiedlich ist die Stimmungslage auch im sportlichen Bereich. Beim HSV stehen die Zeiten nach drei Jahren ohne Veränderung in der sportlichen Führung mal wieder auf Neuanfang. Trainer Steffen Baumgart wurde noch Ende der letzten Saison verpflichtet, Sportvorstand Stefan Kuntz feiert am Samstagabend im wie fast immer ausverkauften Volksparkstadion seine Heimspielpremiere.

Ligazugehörigkeit:
Für den HSV ist es die siebte Zweitliga-Saison in Folge, für Hertha BSC die zweite.
Saisonbilanz 2023/23:
Die vergangene Saison schloss der HSV als vierter ab, Hertha als neunter. Die direkten Begegnungen gewann der HSV (3:0/1:2).
Zuschauerschnitt 2023/23:
HSV 55960 (Platz 2)
Herta BSC 50898 (Platz 3)
Namhafteste Neuzugänge:
HSV: Silvan Hefti, rechter Verteidiger (Genua FC), Davie Selke, Mittelstürmer (1. FC Köln)
Hertha BSC: Michael Cuisance, zentrales Mittelfeld (Venezia FC), Diego Demme defensives Mittelfeld (SSC Neapel)
Gesamtmarktwert der Spieler:
HSV: 40,30 Millionen Euro (Platz 3)
Hertha BSC: 49,50 Millionen Euro (Platz 2)
Zum Vergleich: 1. FC Köln: 70,20 Millionen Euro

Quelle: Zuschauer- und Marktwertzahlen: transfermarkt.de

Baumgart setzt auf Pragmatismus statt Spektakel

Beide Vereine stehen für Fan-Nähe und eine authentische Ausstrahlung. Und verbreiten Optimismus: "Ich glaube, dieses Jahr ziehen wir es auch durch", sagte der Ex-Nationalspieler Kuntz. Um seine Spieler einzuschwören, erzählte er unlängst von einem Fan aus seiner Spielerzeit beim 1. FC Kaiserslautern, der zu ihm gesagt habe: "Du als Spieler lebst meinen Traum. Ich wäre gern dort, wo du bist." Wenn man sich das vor Augen führe, "dann ist die Wucht, die ein Traditionsklub wie der HSV entfachen kann, definitiv ein großer Segen und eine riesige Unterstützung."

Eine Frage wird sein, wie die Fans die Umstellung vom spektakulären torreichen "Walter-Ball" unter Trainer Tim Walter zum pragmatischen Fußball seines Nachfolgers Baumgart akzeptieren, der sich beim Erfolg in Köln angedeutet hat.

Hertha: Trainer Fiel sieht beide Klubs auf Augenhöhe

Hertha BSC muss nach der 1:2-Auftaktniederlage gegen den SC Paderborn bereits den ersten Dämpfer verkraften. Das lässt den neuen Trainer Cristian Fiel aber nicht an den Erfolgsaussichte seines Teams zweifeln.

Beide Mannschaften sind mit der gleichen Zielsetzung in die Saison gegangen und deshalb ist es für mich ein Spiel auf Augenhöhe.

Hertha-Trainer Cristian Fiel

Auch für Baumgart spielt Hertha BSC um den Aufstieg mit: "Nicht nur vom Kader her, sondern auch vom Trainer her", sagte der HSV-Trainer.

Das Ziel - den Aufstieg - teilen Hertha BSC und der HSV mit mindestens einem halben Dutzend weiterer Vereine - die zweite Liga darf sich demnach auf zahlreiche Spiele auf Augenhöhe freuen.

Quelle: dpa

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