DFB-Präsident Bernd Neuendorf erneuert im aktuellen sportstudio seine Kritik an der WM-Vergabe nach Katar und fordert eine Umsetzung der Gesetze auf allen Baustellen des Landes.
Als Quereinsteiger ist Bernd Neuendorf vor vier Wochen mit großer Mehrheit zum DFB- Präsidenten gewählt worden. Seine Vorgänger hatten wesentlich mehr Erfahrung als Verbandsfunktionäre vorzuweisen. Aber kaum jemand von ihnen hatte so eine Mammutaufgabe vor sich - und kaum jemand ist mit so einem Erwartungsdruck ins Amt gestartet.
Erwartungen an Neuendorf sind groß - der Druck auch
Diesen Druck hatte er selbst erzeugt, in dem er und sein Team mit dem Anspruch angetreten sind, dass der DFB einen Wandel braucht. Auf wie vielen Feldern gleichzeitig dieser Wandel nötig ist, wurde bei seinem Besuch im aktuellen sportstudio mehr als deutlich.
Da gilt es zum Beispiel eine Vergangenheit zu bewältigen, die mit zahlreichen Affären und Machtkämpfen dazu geführt hat, dass laut einer aktuellen Umfrage 91 Prozent der Befragten dem DFB ein schlechtes Image bescheinigen. Dann ist da die Gegenwart des Amateurfußballs, als dessen Vertreter er gewählt wurde, und der mit den Folgen der Pandemie, mit Mitgliederschwund und Trainermangel zu kämpfen hat.
Neuendorf mit eigenen Forderungen an WM-Gastgeber Katar
Und schließlich steht da eine Weltmeisterschaft vor der Tür, die die umstrittenste seit Einführung dieses Wettbewerbs ist. Dieses heikle Thema ist das erste, bei dem Neuendorf unverkennbar eigene Akzente setzt. "Ich habe schon vor meiner Wahl gesagt, dass ich die Vergabe kritisch sehe unter Menschenrechts-Gesichtspunkten, unter Aspekten der Nachhaltigkeit", sagte er im Gespräch mit Sportstudio-Moderator Jochen Breyer.
Nachdem er sich während des FIFA-Kongresses in Doha vor einer Woche in zahlreichen Gesprächen ein eigenes Bild gemacht habe, traue er sich jetzt aber auch eigene Forderungen an den Gastgeber der bevorstehenden WM zu. Es gebe zwar eine verbesserte Gesetzgebung für die Arbeitsmigranten bei den Themen Mindestlohn, freier Arbeitsplatzwahl und Hygiene. "Wir müssen die katarische Regierung drängen, dass die Umsetzung erfolgt und dass es Inspektionen auf den Baustellen gibt."
Neuendorf unterstützt Human Rights Watch bei Forderung nach Wiedergutmachungsfonds
Dies gelte nicht nur für die 30.000 Arbeiter auf den FIFA-Baustellen, sondern für alle zwei Millionen in Katar tätigen Arbeitsmigranten aus mehreren Ländern. Vom FIFA-Präsidenten Gianni Infantino konnte er dabei bislang nicht viel Unterstützung erwarten. "Ich hätte mir vorstellen können, dass er in Doha einige Themen offener anspricht - in Richtung Menschenrechte."
Die Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch forderte im aktuellen sportstudio einen Wiedergutmachungsfonds für die "Familien der vielen tausend Wanderarbeiter, die beim Bau der Infrastruktur für die WM ums Leben gekommen sind." Neuendorf unterstützt diese Forderung, sieht bei der Umsetzung aber hauptsächlich die FIFA und die katarische Regierung in der Pflicht. Eine mögliche Beteiligung des DFB hänge davon ab, wie so ein Fonds aufgesetzt werde.
Die Fußball-WM in Katar steht seit der Vergabe in der Kritik. Der Golfstaat inszeniert sich seither als perfekter Gastgeber. Doch die Wahrheit sieht anders aus.
Klares Nein zu Sponsoring durch Qatar Airways
Konkret kündigte der SPD-Politiker und ehemalige Staatsekretär in Nordrhein-Westfalen an, sich mit der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die Regierung in Katar sogenannte Migration Working Centers mit Hilfsangeboten für die Arbeitsmigranten einrichtet. Eine klare Absage erteilte er einem möglichen Sponsoring des DFB durch Qatar Airways. Die Zusammenarbeit von Bayern München mit der Fluggesellschaft kritisierte Neuendorf.
Beim zweiten großen Thema, den laufenden Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung, verwies Neuendorf darauf, dass er jetzt die nötige Akteneinsicht habe. Hauptsächlich vertraue er aber auf die Ermittlungen der Finanzverwaltungen und Staatsanwaltschaften. "Ich hoffe, dass wir da zeitnah zu Ergebnissen kommen." Bei aller Vergangenheitsbewältigung dürfe man aber die eigene Agenda nicht vergessen. "Es soll wieder um Fußball gegen beim DFB."