Angsthasenfußball missfällt Steffen Baumgart ebenso wie die kapitalistischen Auswüchse in seiner Branche. In Köln ist der 49-Jährige mit dieser Haltung auf dem Weg zur Kultfigur.
Unter dem Chefübungsleiter Steffen Baumgart wird beim 1. FC Köln viel gesprochen. Darüber, ob man nach dem Training gemeinsam isst, oder ob das Team vor Heimspielen zu Hause oder im Hotel schläft. Alkoholverbote zu erteilen oder zu kontrollieren, was seine Spieler auf Instagram so verbreiten, findet Baumgart "albern". In einem Punkt allerdings ist der 49-Jährige strikt.
Happenings in Köln-Müngersdorf
"Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen - das ist das Einzige, worüber ich nicht diskutiere", betonte der im Sommer inthronisierte Coach der Domstädter bei seinem Besuch im "aktuellen sportstudio". Es gehe darum, sich auf dem Spielfeld nicht zurückzuzuziehen, mutig zu sein. Denn, so Baumgart: "Ich möchte Fußballspiele sehen, die ich mir auch gerne im Fernsehen angucke."
Der Gedanke ist so klar wie der gesamte Führungsstil des früheren Stürmers. Offensive liegt dem gebürtigen Rostocker im Blut - und weil die Kölner Heimspiele im Stadtteil Müngersdorf in dieser Saison plötzlich zu Happenings werden, liegen die Fans des Geißbockklubs dem neuen Trainer zu Füßen.
Unverrückbare Fußballphilosophie
Das 0:5 in Hoffenheim war der erste große Rückschlag für den Beinahe-Absteiger der Vorsaison. Doch Baumgart empfände es als Verrat an sich selbst und an seiner Fußballphilosophie, würde er deshalb von seinem Weg abrücken.
Mit dieser Haltung hat er sich vor seinem Wechsel nach Köln beim SC Paderborn einen Namen gemacht. So dass Gladbachs Sportdirektor Max Eberl über den neuen Bank-Vorstand des rheinischen Rivalen sagt: "Er ist definitiv ein Markenzeichen der Bundesliga, ein Unikat."
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Platz zwölf als "realistisches" Saisonziel
Mit schwammigen Ankündigungen könne man in einem Stadion wie in Köln nicht antreten, findet Baumgart. Gemeinsam mit dem Team, das sich vor fünf Monaten noch in den Relegationsspielen gegen Kiel die Zugehörigkeit zu ersten Fußballklasse sichern musste, gab er als Saisonziel Platz zwölf aus - und betont: "Das ist ein gutes und realistisches Ziel."
Drei abgeschlossene Berufsausbildungen kann Baumgart vorweisen, arbeitete als Polizist, Kfz-Mechaniker und Verkäufer. Seine persönliche Lehre aus diesen Arbeitsfeldern? "Dass ich Fußball am besten kann. Alles andere konnte ich nicht so gut."
Auf Du und Du mit dem Rasen
Überhaupt nicht gut findet Baumgart in seinem jetzigen Job minimalistische Defensivkünstler. Grundsätzlich ist er der Meinung, man soll für das belohnt werden, wofür man sich vorher auch richtig ins Zeug gelegt hat. "Aber Angsthasenfußball", stichelt der 225-malige Bundesligaspieler, "wird heute ja häufig als taktische Meisterleistung hingestellt."
Geerdet wie er ist, nimmt der bärtige Schiebermützenträger vor Spielbeginn immer Kontakt zu den diversen Bundesligarasen auf, streicht über das Grün - oder drückt herausgerissene Stücke nach Spielschluss wieder fest. "Es gehört für mich dazu, den Rasen zu spüren. Denn diesen Job machen zu dürfen, ist für mich das Größte", erklärt Baumgart seine persönliche Art der Platzbegehung.
Wider den Turbokapitalismus im Fußball
Wenig verwunderlich ist es da, dass der Purist von der Ostsee mit dem Hochgeschwindigkeitskapitalismus im Fußball nichts anfangen kann. In England sind die Auswüchse besonders extrem, kürzlich wurde dort die Übernahme des Erstligisten Newcastle United durch ein saudi-arabisches Konsortium genehmigt.
"Wir müssen unsere eigenen Wege gehen, in ganz Deutschland", betont Steffen Baumgart. Und der glühende Verfechter der reinen Fußballlehre fordert: "Der Fußball hält mittlerweile für vieles her. Aber er ist einfach und klar, und das sollte er auch sein - und bleiben. Er sollte für die Menschen sein, die in die Stadien gehen. Und nicht für die, die damit Geld verdienen."
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