Borussia Dortmund hat sich nach der peinlichen 1:5-Pleite gegen Aufsteiger VfB Stuttgart von Trainer Lucien Favre getrennt. Kein Bravourstück, meint Oliver Schmidt im Kommentar.
Die Trennung von Lucien Favre ist einerseits sportlich nachvollziehbar, andererseits offenbart sie die Fehler der Mächtigen bei Borussia Dortmund: In den Jahren nach Meistermacher Jürgen Klopp fanden Watzke & Co. nie mehr die aus ihrer Sicht vollkommene Antwort auf die Trainerfrage beim BVB.
Ein zweiter Klopp ist nicht in Sicht
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Nach zwei zweiten Plätzen und einer Herbstmeisterschaft ist Lucien Favre bei Borussia Dortmund Geschichte, ein weiteres Mitglied in der wenig ruhmreichen schwarz-gelben Ahnengalerie der Post-Klopp-Ära. Die Trennung - vor allem für Hans-Joachim Watzke kein Bravourstück. Solange der BVB-Chef bei vielen Gelegenheiten den meisterhaften Klopp-Zeiten nachtrauert, werden auch zukünftige Trainer Probleme bekommen, den Ansprüchen gerecht zu werden.
Favre war der vierte Trainer nach Jürgen Klopp. Sieben Jahre lang ließ Menschenfänger "Kloppo" den Klub und seine Funktionäre in Glanz erstrahlen. Sein Nachfolger Thomas Tuchel schien wie gemacht für die gewaltigen Fußstapfen, bescherte Dortmund mit dem Pokalsieg den letzten Titel. Aber im Verein war kein Platz für ein weiteres Alphatier: in Abneigung vereint, öffentlich ausgetragen, Watzke und Tuchel.
Keine "Echte Liebe" zwischen Favre und Fans
Es folgten das kurze Kapitel "Aufstieg und Fall" mit Peter Bosz und der BVB-untypische Ergebnisfußball unter Peter Stöger. Seit dem Abschied von Klopp ist das Trainercasting der Bosse, Watzke und Michael Zorc, keine Erfolgsstory. Auch die Stärken und Schwächen eines Lucien Favre waren und sind allgemein bekannt in der Branche. Favre, ein penibler Trainer, ein detailversessener Tüftler, aber alles andere als ein volkstümlicher Öffentlichkeitsarbeiter oder Kabinenredner. Eher Mahner statt Motivator.
- BVB sagt adieu zu Favre
Lucien Favre ist nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund. Der Fußball-Bundesligist hat sich einen Tag nach dem 1:5 gegen Stuttgart von ihm getrennt.
In Dortmund müssen sie gewusst haben was sie mit Favre kriegen. So ist das "Trainer-" definitiv auch ein "Management-Problem". Von außen betrachtet war es nie "Echte Liebe" zwischen Fans und Favre, ebenso wenig zwischen Geschäftsführer und Trainer.
Zweifel an Favre allgegenwärtig
Die Entscheidung zur Trennung in der aktuellen Gemengelage durchaus berechtigt: nach den sich stets wiederholenden Aussetzern gegen mutmaßliche Liga-Außenseiter und der Kapitulation gegen Stuttgart unausweichlich.
- Stuttgart schockt den BVB
Der VfB Stuttgart hat die Krise von Borussia Dortmund weiter verschärft. Der VfB besiegte den BVB am elften Spieltag klar mit 5:1.
Favre schaffte es, Ruhe und Erfolg zu stiften bei der Borussia, vollbrachte es 2018/19, das Meisterschaftsrennen lange offen zu halten, war aber auch dafür verantwortlich, dass ein Neun-Punkte-Vorsprung nicht reichte zum Titel. Dazu in DFB- und Europapokal der wiederkehrende K.o. im Achtelfinale. Mit jeder kleineren oder größeren Spiel- oder Ergebniskrise kamen die Zweifel am Schweizer zurück. Sie waren nie wirklich weg.
Favre, Reus, Brandt - alle wirken hilflos
Ein Muster, das sich auch in der aktuellen Saison zeigte, und diesmal in einer historischen Niederlage gipfelte: nur ein Erfolg in den letzten fünf Pflichtspielen, nur vier Punkte in fünf Bundesligapartien und dazu satte 13 Gegentore. Der Trainer, der schon oft die Wende geschafft hatte, wirkte spätestens nach dem Stuttgart-Desaster hilflos.
Und seine Spieler mit ihm: Marco Reus, nach langem Krankenstand weit weg von der für ihn angedachten mitreißenden Kapitänsrolle, oder Julian Brandt, auf ständiger Positions- und Formsuche, sind nur zwei Beispiele. Das Auftreten, Formation und System - alles Verantwortungsbereiche des Trainers.
Fehler auch in der Chef-Etage
Die Zusammenstellung des Kaders allerdings obliegt seinen Chefs: der BVB verfügt über ein opulentes Angebot im Mittelfeld, in der Innenverteidigung und vor allem im Sturmzentrum jedoch ist die Personaldecke dünn. Klar, Favre ist leicht anzukreiden, dass er, typisch für das ihm oft vorgehaltene Merkmal des Zauderns, den 16-jährigen Youssoufa Moukoko in Abwesenheit von Erling Haaland nicht in die Startelf stellte. Aber ist der Teenager tatsächlich der Superheld mit Superkräften wie der aktuell verletzte norwegische Stürmerprotz? Eher nicht.
Die BVB-Einkäufer müssen es auf ihre Kappe nehmen, dass eine erwachsene Mittelstürmer-Alternative im Kader fehlt. So ist die Trennung für beide Seiten, Trainer und Verein, eine Erlösung. Es geht auseinander, was inhaltlich und menschlich nie so recht zusammengefunden hat. Der neue Cheftrainer heißt Edin Terzić. Eine spannende (Übergangs-)Lösung. Sollte die Borussia perspektivisch wieder prominente Trainerideen verfolgen, müssen Watzke & Co. liefern. Längst drängt sich mehr auf als die stete Wiederholung der Trainerfrage.