Fußball-Bundesliga: "Neue Rivalitäten sind entstanden"

    Gewaltbereite Fußballfans:"Neue Rivalitäten sind entstanden"

    von Christoph Ruf
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    Ist die Gewaltbereitschaft in den Fankurven gestiegen? Die Polizei bejaht das und erntet prompt Widerspruch. Klar ist: Pyrotechnik wird in dieser Saison inflationär gezündet.

    Pyrotechnik im Freiburger Gästeblock beim Spiel in Nantes
    Pyrotechnik im Freiburger Gästeblock beim Europa-League-Spiel in Nantes. Seit der Corona-Pandemie wird eine verstärkte Gewaltbereitschaft der Fußball-Fans festgestellt, besonders Pyrotechnik-Vergehen in den Stadien häufen sich.
    Quelle: reuters

    Im Herbst 2022 machte mal wieder das Schlagwort von der "neuen Dimension der Fußballgewalt" die Runde. Nur dass es diesmal kein wahlkämpfender Politiker war, der warnend den Zeigefinger hob. Sondern Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle der Fanprojekte (KOS). "Es findet eine Verschiebung statt", sagte der Sozialpädagoge der FAZ. "Die Ultras, die gewaltbereit sind, bekommen mehr Einfluss."
    Tatsächlich gab es zum Zeitpunkt des Interviews, im Spätsommer, eine auffällige Häufung von schweren Ausschreitungen bei internationalen Spielen mit deutscher Beteiligung: In Nizza prügelten sich Kölner Hooligans mit OGC-Nice-Fans. In Marseille (gegen Frankfurt) und Dortmund (gegen Kopenhagen) gab es Ausschreitungen. Und auf nationaler Ebene wurde vielerorts wegen Überfällen auf Züge ermittelt, in denen die Angreifer verfeindete Fans wähnten.

    Experte: Gestiegene Gewaltfaszination

    Eine Momentaufnahme? Leider nein, sagt der stellvertretende Leiter der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS), Michael Madre.

    Wir beobachten einen verstärkten Trend zu körperlichen Auseinandersetzungen. Das bestätigen auch Verbände, Vereine und Fanvertreter.

    Michael Madre

    Madre hat auch eine Vermutung, woran das liegen könnte. "Nach dem Corona-Sonderspielbetrieb hat sich die Zusammensetzung in manchen Kurven geändert. Neue Rivalitäten sind entstanden, auch neue Abgrenzungsprozesse." Das bestätigen einige Fanbeauftragte. Die Gewaltfaszination sei in vielen Ultragruppen noch mal gestiegen, berichten sie. Manches Gruppentreffen könne auch gleich im Gym stattfinden.

    Stadien sind vergleichsweise sicher

    Besonders verabredete Schlägereien außerhalb der Stadien stehen auch in dieser Spielzeit wieder hoch im Kurs, sagt Madre. Die "Acker-Matches" finden meist in Industriegebieten oder anderswo statt, wo meist keine Außenstehenden das mitbekommen. Für die Millionen von friedlichen Fußballfans ist der Stadionbesuch also so sicher wie eh und je.
    "Natürlich sind immer noch zahlreiche schöne Stadionerlebnisse möglich", sagt Madre. "Aber diese negativen Ereignisse sollte nicht zur Normalität der deutschen Fußball- und Gesellschaftskultur werden." Madre wünscht sich einen verstärkten "Dialog zwischen Sicherheitsbehörden, Vereinen, Verbänden und Fanorganisationen."

    Fan-Anwalt widerspricht der ZIS

    Der Fan-Anwalt René Lau widerspricht vehement: "Ich habe in meinem Alltag nicht mehr mit Ermittlungen wegen Gewalttaten zu tun als vor drei Jahren". Was sich allerdings geändert habe, sei die Vorgehensweise der Polizei: "Die setzt nach Corona nur noch auf Repression, in manchen Bundesländern ist Dialog gar kein Thema mehr."
    Selbst bei Regionalligaspielen gäbe es nun massive Personenkontrollen, Drohnen kreisten über dem Stadion.

    Würde man das beim Oktoberfest auch so machen, würde man da eine ‚Explosion der Gewalt‘ feststellen.

    Fan-Anwalt René Lau

    Viele Vereine müssen Geldstrafen zahlen

    So umstritten die Frage ist, ob die Fanszenen gewaltaffiner sind als noch vor Jahren, so einig sind sich alle Beobachter, dass Pyrotechnik noch nie so inflationär gezündet wurde wie in dieser Spielzeit. Alleine im Januar wurden zwölf Vereine vom Sportgericht des DFB zu Geldstrafen zwischen 6.250 (Leverkusen) und 75.000 Euro (Köln) verurteilt. Einige Vereine traf es in dieser Spielzeit bereits zum dritten oder vierten Mal.
    frontal-Host Nico Heimer mit Bengalfackel in leerem Fußballstadion
    4 Gründe, warum der Streit um Pyrotechnik so festgefahren ist10.01.2023 | 10:45 min
    Im November, beim 4:4 zwischen dem Karlsruher SC und St. Pauli, erlitten elf Menschen eine Rauchgasvergiftung, darunter ein Kind. Allerdings sind solche Unfälle extrem selten. In der Saison 2021/2022 besuchten etwa zwölf Millionen Menschen die Spiele der ersten drei Ligen. 31 Personen wurden durch Pyrotechnik verletzt. Das entspricht 0,0000026 Prozent.

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