Nach dem Becherwurf in Bochum ist die Debatte um ein Bierverbot auf den Tribünen neu entflammt - auch andere Getränke stehen zur Diskussion. Die Fans halten nichts davon.
Schnell hat das DFB-Sportgericht auf den Abbruch des Bundesliga-Spiels VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach wegen eines Becherwurfes reagiert und das Spiel 2:0 für die Gäste gewertet. Die Bochumer, die zunächst eine Wiederholung gefordert hatten, haben das Urteil akzeptiert. Über mögliche weitere Sanktionen für Bochum, wie einen Zuschauer-Ausschluss für ein Spiel, will das DFB-Sportgericht nach Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss entscheiden.
Erinnerungen an Blechbüchsen-Affäre vom Bökelberg
Wesentlich früher will der VfL über Maßnahmen auf den Tribünen entscheiden, die schon zum kommenden Heimspiel gegen Bayer Leverkusen greifen könnten. Hieß es zunächst, man würde über ein Alkoholverbot nachdenken, steht nun laut einem Zeitungsbericht der Verzehr auch alkoholfreier Getränke auf den Tribünen zur Disposition.
Dass diese genauso zu Wurfgeschossen werden können, weiß man seit dem legendären Büchsenwurf-Spiel 1971 auf dem Mönchengladbacher Bökelberg. Während des 7:1-Sieges im Europapokalspiel der Landesmeister von Borussia Mönchengladbach gegen Inter Mailand wurde der Mailänder Roberto Boninsegna von einer Cola-Dose am Kopf getroffen. Das Spiel wurde wiederholt und Mönchengladbach schied aus.
Skandal beim Spiel VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach: Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann wurde mit einem Getränkebecher beworfen, die Partie darauf abgebrochen.
Keine Wirkung in England
Blechdosen sind im Stadion längst verboten - genauso wie Flaschen, die 1976 bei der Begegnung des 1. FC Kaiserslautern gegen Fortuna Düsseldorf aufs Feld flogen und zum Abbruch führten. Aber auch die heute benutzten Kunststoff-Mehrwegbecher können schwere Verletzungen verursachen, wie in Bochum bei Linienrichter Christian Gittelmann geschehen.
Johannes Mäling, Stadionexperte und Herausgeber des Portals "Faszination Fankurve", sieht dennoch keine Notwendigkeit für ein Alkoholverbot auf den Rängen. "In Ländern, in denen es das gibt, wie in England, hat das keine Wirkung", sagt Mäling gegenüber sportstudio.de.
Kontrolliertes Trinken statt Druckbetankung
In England, aber auch in Portugal, gibt es in den letzten Jahren Diskussionen, das Verbot wieder rückgängig zu machen. In England wurde das Trinken von Alkohol am Spielfeld 1985 als Beitrag zum Kampf gegen das Hooligan-Problem verboten. In vielen Stadien gibt es allerdings an Ständen im Stadioninneren Bier, in anderen Sportarten wie Rugby oder Cricket ist es überall erlaubt.
Eine unabhängige Studie unter der Leitung der früheren Sportministerin Tracey Crouch kommt zu dem Ergebnis, dass die aktuellen Regeln kontraproduktiv sind, da die Leute in der Halbzeitpause schnell und viel trinken. Dies könne sich ändern, wenn es auch wieder Bier auf den Tribünen gebe, was laut Crouch zunächst in der 4. und 5. Liga ausprobiert werden soll.
Becherwürfe eher die Ausnahme
Auch in Portugal regte die Liga laut "Stadionwelt" bereits an, alkoholarmes Bier im Stadion auszuschenken. Die Fans würden dann weniger Alkohol im Vorfeld des Spiels trinken. Als Vorbild dafür wurde Deutschland genannt.
Einen Spielabbruch aufgrund eines Becherwurfes gab es in der Geschichte der Bundesliga bis zum letzten Samstag einmal: Im April 2011 wurde Schiedsrichterassistent Thorsten Schiffner beim FC St. Pauli gegen FC Schalke 04 zwei Minuten vor Ende des Spiels von einem vollen Bierbecher im Nacken getroffen.
Fangnetze vor den Haupttribünen keine Alternative
"Das Problem ist trotz der bedauerlichen Einzelfälle nicht so groß, um gravierende Maßnahmen zu ergreifen", sagt Johannes Mäling. Er hält die Praxis in deutschen Stadien weiter für gerechtfertigt.
Auch der Vorschlag, verstärkt Fangnetze einzurichten, löse das Problem nicht. Zum einen gebe es diese bereits vor den meisten Kurven der Bundesliga. Und vor den Geraden - von dort flog der Becher in Bochum - seien sie schon deshalb nicht praktikabel, weil sie die Qualität der TV-Bilder deutlich beeinträchtigen würden.