Abstiegskampf pur statt der Vision "Big City Club": Nichts dokumentiert diesen erzwungenen Sinneswandel bei Hertha BSC besser als der neue Trainer Felix Magath.
Nein, zumindest bis Donnerstag wurden bei den Trainingseinheiten von Hertha BSC keine Fußballprofis gesichtet, die mit schweren Medizinbällen unter den Armen schwitzend die Stadiontreppen hoch und runter liefen.
Magath von Corona ausgebremst
Seinem ihm noch immer vorauseilenden Ruf als unnachgiebiger "Schleifer" und "Quälix" hat Felix Magath in seiner ersten Arbeitswoche beim Hauptstadtklub bisher nicht eingelöst.
Es war, genauer, auch nur ein halbe. Am Donnerstagnachmittag verabschiedete sich Magath in sein Berliner Hotelzimmer in Corona-Quarantäne. Sicher kein guter Auftakt für die anstrengenden Wochen, die Hertha BSC bevorstehen.
Neuer Verein, alte Tugenden
Was aber verspricht sich Hertha BSC von Felix Magath, der heute im Heimspiel gegen die Hoffenheim (15:30 Uhr im Liveticker) von seinem schottischen Assistenten Mark Fotheringham auf der Bundesliga-Trainerbank vertreten wird? Zunächst natürlich die Klassiker: Ordnung, Disziplin, klare Hierarchien und Mannschaftsgeist.
Tugenden, die das nach fünf Niederlagen hintereinander auf den Abstiegsplatz 17 durchgereichte Team in diesem Jahr gänzlich vermissen ließ. Hertha hat die drittschlechteste Offensive (nur 26 Treffer erzielt) und die zweitschlechteste Defensive (60 Tore kassiert) der Liga. Diese nüchternen Zahlen allein dokumentieren Herthas sportliche Misere.
Auch Sportchef Bobic unter Zugzwang
"Wir werden den Klassenerhalt schaffen", versprach Magath bei seiner Vorstellung am Montag betont zuversichtlich und selbstbewusst wie immer. Seinem Vorgänger auf der Bank, Tayfun Korkut, hatte man das Projekt nach nur 105 Tagen im Amt nicht mehr zugetraut. Seinem Vor-Vorgänger Pal Dardai ebenfalls nicht.
Mal wieder spricht Sportdirektor Fredi Bobic in diesen aufgeregten Berliner Fußball-Tagen von einem Neubeginn. Doch, wenn das schiefgeht, wird er gemeinsam mit Magath den Verein zum Ende der Saison wohl wieder verlassen müssen.
Hertha: Situation erinnert an 2012 unter Rehhagel
Dem neuen Coach und seinem ebenfalls neuen Assistenten Fotheringham verbleiben noch acht Spiele (mit der Relegation zehn), um das Klassenziel zu erreichen und den siebten Abstieg in der Vereinsgeschichte zu verhindern.
Das Krisenduell am vergangenen Spieltag in Gladbach ging für die Hertha mit 0:2 verloren.
Nicht von ungefähr erinnert Herthas Situation an jene von 2012, als die Berliner die Trainerlegende Otto Rehhagel verpflichteten, um die Liga zu halten. Doch selbst der Europameister und Meistermacher "König Otto" scheiterte. Sein Team musste sich schlussendlich in der Relegation dem Zweitligisten Fortuna Düsseldorf geschlagen geben und stieg ab.
Herthas prekäre Situation
Damals wie heute ist Herthas Situation äußerst prekär, nicht nur sportlich. Vor allem die junge fußballaffine Community hat längst Union, den Bundesliga-Konkurrenten aus dem Ostberliner Stadtteil Köpenick, für sich entdeckt. In der städtischen Öffentlichkeit spielt Hertha so gut wie keine Rolle mehr.
Mit rund 374 Millionen Euro ist Lars Windhorst bei Hertha BSC engagiert. Ein Verein im Spannungsverhältnis zwischen Kommerz, Fans, Tradition und Individualinteressen.
Nahezu teilnahmslos blicken selbst die Berliner Hertha-Fans in Richtung Olympiastadion. Auch außerhalb des Fußballplatzes macht Hertha BSC alles andere als eine gute Figur.
Keine Rede mehr vom "Big City Club"
Längst hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass der Einstieg von Lars Windhorst für den Klub nur wenig Gutes zur Folge hatte. Sein 374 Millionen Euro Investment charakterisierte der Unternehmer in einer Art Abrechnung mittlerweile selbst "als Fehler".
Keine Rede war da mehr vom Traum "Big City Club". Vielmehr beklagte der Unternehmer jüngst "Machterhalt und Klüngelei" in der Hertha-Vorstandsetage. Windhorst drohte für die Mitgliederversammlung im Mai schon mal an: "Da muss was passieren".
Selbst Windhorsts einstmals prall gefüllte Hertha-Schatztruhe ist leer. Kein Geld, kein Erfolg, Abstiegsplatz. In dieser toxischen Sport- und Wirtschaftsgemengelage müssen Sportdirektor Bobic und Trainer Magath im Abstiegskampf bestehen. Es gibt sicher leichtere Herausforderungen.
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