Dem deutschen Profifußball fehlen bis Sommer 2022 rund zwei Milliarden Euro an Umsatz. Die Vereine müssten massiv die Gehaltskosten senken, tun sich aber schwer damit.
Die Corona-Krise hat die Fußball-Bundesliga fest im Würgegriff. Als Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in der Vorwoche die neue Fernsehgeldverteilung vorstellte, klang seine Vorbemerkung dramatisch. Seine Vorhersage von der "anstrengendsten und herausforderndsten Saison der Bundesliga-Geschichte" habe sich leider bewahrheitet.
Zum einen sei das sichtbar an dem immensen Termindruck, zum anderen lege der "klare Blick auf die Realität" (Seifert) einen gewaltigen Umsatzeinbruch offen. Und dann rechnete der Bundesliga-CEO vor: Vergangene Saison 2019/2020 sei der Umsatz nur um sechs Prozent geschrumpft. Im Vergleich zur aktuellen Spielzeit sei das aber nur "ein laues Lüftchen" gewesen, "jetzt kommt der Sturm". Allein 650 Millionen Euro würden aktuell durch die Zuschauererlöse inklusive Hospitality bei Logen und Businesskunden fehlen.
Einige Klubs haben die Gehaltskosten sogar gesteigert
Dauerhafter Geisterspielmodus, nicht mehr zahlungsfähige oder -willige Sponsoren, dazu unweigerlich Einbrüche auf dem Transfermarkt: Bis Sommer 2022 würden den deutschen Profifußball rund zwei Milliarden Euro durch die Lappen gehen, sagte Seifert. Seine Zustandsbeschreibung war verknüpft mit dem Appell, "mehr an der Spielergehälterfront" zu machen, denn:
Die Gehälter für kickende Personal sind der mit Abstand größte Kostenblock: Bereits in der Saison 2018/2019 verschlang der "Personalaufwand Spielbetrieb" laut DFL-Wirtschaftsreport 2020 exakt 1,431 Milliarden Euro. Das macht mehr als ein Drittel des Gesamtaufwands. Durchschnittlich verdient ein Bundesliga-Profi rund 2,5 Millionen Euro per annum. Diese Gagen müssten in der Corona-Krise zwingend reduziert werden.
Doch das Gegenteil ist geschehen. Aus Sitzungskreisen der letzten Mitgliederversammlung verlautete, dass etliche Klubs sogar für diese Saison mit höheren Gehaltskosten geplant haben – weshalb Seifert seinem Unmut lautstark Luft gemacht haben soll.
Thema mit viel Sprengkraft
Eine Reduzierung der Spielergehälter gilt in vielen Klubs ein rotes Tuch. Das zeigt sich beim Thema freiwilliger Gehaltsverzicht. Vereine wie der FC Bayern, Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach, aber auch die TSG Hoffenheim, Hertha BSC und SC Freiburg machen derzeit trotz der Pandemielage gar keine Abstriche - die Spieler bekommen alle vertraglich zugesicherten Zahlungen.
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Radikale Löaungen
Die DFL hat beschlossen, die Einnahmen aus den Fernsehgeldern neu zu verteilen. Es sei aber gerade nicht die Zeit für radikale Lösungen, so DFL-Chef Christian Seifert.
Beim SV Werder Bremen kam es im Sommer nach öffentlichen Ankündigungen von Geschäftsführer Frank Baumann zu Irritationen, weshalb der Manager jetzt festhält: "Wir werden uns zu dem Thema nicht mehr äußern." Beim FSV Mainz 05 mündete der Streit über Gehaltseinbußen sogar in einen Spielerstreik, der dem Klub einen gewaltigen Imageschaden einbrachte. Kein Thema besitzt intern offenbar mehr Sprengkraft.
Eine Frage der Haltung
Quelle: dpa
DFL-Präsidiumsmitglied Steffen Schneekloth vom Zweitligisten Holstein Kiel führte vergangen Montag aus, man müsse sich gar nicht über Verteilmodelle bei den Medieneinnahmen streiten, wenn nicht ein Umdenken auf der Ausgabenseite einsetzt. "Das müssen wir stärker in den Fokus nehmen. Das ist Haltung gefragt von den Klubs." Eine Anpassung von Spielergehältern und der Beraterhonorare sei unausweichlich, doch die Einsicht auf der Gegenseite soll teilweise gering sein.
Seifert gab zu bedenken, dass der Eingriff in laufende Arbeitsverträge juristisch heikel sei. Erste Klubs allerdings wollen im Winter und spätestens im Sommer ihren Profis die Pistole auf die Brust setzen. Wer keine Änderungsklauseln oder Vertragsanpassungen mit deutlich geringeren Bezügen unterschreibt, wird auf die Verkaufsliste gesetzt.
Obwohl der Profifußball von den verschärften Maßnahmen nicht berührt wird und keinen zweiten Lockdown bislang zu befürchten hat, ist der Spielbetrieb seit Wochen nicht kostendeckend. Im Gegenteil: Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, agiert der deutsche Profifußball mit jedem Wochenende hochdefizitär.
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