Klassenerhalt, Conference League, Euro League und jetzt "Bayern-Jäger". Union Berlins Erfolgsbilanz in jüngster Vergangenheit ist eindrucksvoll, die Gründe dafür vielschichtig.
Da wären bespielsweise die zahlreichen Abgänge. Andere Vereine würden erzählen, sie bluten aus. Union Berlin begreift die Wechsel von Schlüsselspielern wie z.B. Max Kruse (VfL Wolfsburg), Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Marvin Friedrich (Borussia Mönchengladbach), Grischa Prömel (TSG Hoffenheim) oder Taiwo Awoniyi (Nottingham Forest) zu zahlungskräftigeren Klubs vielmehr als eine echte Chance, die Mannschaft danach neu und noch besser aufzustellen.
Sportdirektor Oliver Ruhnert erzielte mit den obigen Transfers also nicht nur einen üppigen finanziellen Überschuss, sondern sorgte gleichzeitig auch für adäquaten Ersatz.
Zukunft mit Trainer Fischer steht Nichts im Weg
Die Aufgabenteilung bei dem Ostberliner Stadtteilverein aus Köpenick ist demnach klar und unmissverständlich definiert: "Ich verpflichte die Spieler, er trainiert sie", erklärt Ruhnert. Mit "er" ist Urs Fischer gemeint, der Schweizer Coach des aktuellen Tabellenzweiten der Bundesliga, der am Samstag (15:30 Uhr) den Tabellenersten Bayern München empfängt.
Union Berlin hat seinen Höhenflug mit einer Toreshow fortgesetzt und auch beim FC Schalke 04 gewonnen. Die Eisernen siegten in Gelsenkirchen klar und deutlich mit 6:1.
Dem 56-jährigen Hobbyangler Fischer gelingt es in schöner Regelmäßigkeit und mit großem Erfolg, eine neue Mannschaft aufzubauen. Zu dieser Saison galt es nicht weniger als zehn Spieler, die Sportdirektor Ruhnert bis August verpflichtet hatte, in den Kader zu integrieren. Fischer sitzt seit nunmehr vier Jahren auf der Trainerbank im Stadion "An der Alten Försterei".
Seine stoische Ruhe und Gelassenheit vor den Mikrofonen der Reporter ist sein Markenzeichen. Fischers Vertrag bei Union Berlin läuft zum Ende der Saison aus. Es spricht aktuell wirklich nichts gegen eine Verlängerung des Angestelltenverhältnisses des Erfolgstrainers aus der Schweiz.
Besondere Atmosphäre in Unions Spielstätte
Schnelles Umschaltspiel, extrem hohe Laufbereitschaft, eine klare, disziplinierte Organisation auf dem Spielfeld im 3-5-2 System, viel Rotation ohne Qualitätsverlust und extrem torgefährliche und superschnelle Stürmer wie Sheraldo Becker und Theoson-Jordan Siebatcheu machen das Spiel von Union Berlin aus. Jeder Gegner weiß das mittlerweile und vermag es dennoch nicht zu verhindern. Seit elf Spielen, saisonübergreifend, sind die Köpenicker nun ungeschlagen.
Bayern München hat die ersten Punkte abgegeben. Der FCB kam gegen M'gladbach nicht über ein 1:1 hinaus. Borussen-Keeper Yann Sommer stellte dabei einen Paraden-Rekord auf.
"Man spielt da pauschal nicht gerne", sagt Bayern-Spieler Thomas Müller über das Stadion "An der Alten Försterei". Genau 22.012 Zuschauer fasst die Spielstätte, diverse Ausbaupläne werden regelmäßig verschoben. Noch immer versprüht das Stadion mit seinen enthusiastischen Fans einen überaus angenehmen Ostcharme. Eine Art "Feel-Good-Atmosphäre", die sofort jeden packt, wenn beim Einlaufen der Union-Song ("Eisern Union") von Nina Hagen aus den Lautsprechern erklingt.
Union avanciert zum Verein für alle Berliner
Auch altgediente und extrem erfahrene Spieler wie Müller können sich diesem romantischen Fußball-Zauber nur schwer entziehen. Und nicht nur er: Union Berlin macht sich gerade auf, ein gesamtberliner Verein zu werden und sich von der bequemen Ostberliner Nische zu emanzipieren.
Jetzt aber, das heißt bis zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar Mitte November, gilt es für das Team von Urs Fischer die "Englischen Wochen" zu meistern.
Die vielen Bundesliga-Spiele also, der DFB-Pokal in der zweiten Runde und nicht zuletzt die Gruppenphase der Europa League werden den Rhythmus der Köpenicker in diesem für sie vielleicht goldenen Fußball-Herbst bestimmen. Den Auftakt dazu macht das Spiel gegen Bayern München. Besser kann es kaum kommen.
- Bundesliga
Alle Spiele, alle Tore der Bundesliga und ausgewählter Spiele der 2. Bundesliga.