Gegen Mönchengladbach droht dem Rekordsieger heute erstmals das Gruppenaus. Die Probleme sind vielfältig: Überalterung, Transferflops - und immer noch fehlt Ronaldo.
Stell dir vor, es ist Champions League - und Real Madrid muss schon in der Gruppenphase um das Weiterkommen zittern. Diesen außergewöhnlichen Fall erlebt der Weltfußball am Mittwochabend beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach.
Nur ein Sieg der "Königlichen" oder bei einem Remis ein gleichzeitiger Erfolg von Inter Mailand gegen Schachtjor Donezk bringen den Rekordsieger (13 Titel) ins Achtelfinale. Anderenfalls würde Real erstmals bei 25 Turnierteilnahmen vorzeitig ausscheiden.
Wie es soweit kommen konnte, und warum der spanische Meister auch in der Liga schon klar hinter Tabellenführer Atlético Madrid liegt? Die wichtigsten Gründe:
Vorne ungewohnt harmlos …
Es ist ein zentrales Problem, das Real seit dem Abgang von Cristiano Ronaldo plagt: auch zweieinhalb Jahre später fehlen seine Tore an allen Ecken und Enden. Der spielstarke Karim Benzema ist eher ein Mann für 20 Saisontreffer als für 40, und der schnelle Außenstürmer Vinícius hat im Torabschluss seinen größten Feind.
Auch aus dem Mittelfeld kommt in punkto Treffer wenig Unterstützung. Gegen Gladbach soll allerdings der zuletzt verletzte Sergio Ramos ins Team zurückkehren: Obwohl Verteidiger, war er nach Benzema vorige Saison zweitbester Torschütze – und verteidigt diesen Platz bisher auch in dieser Spielzeit.
… und hinten grob fahrlässig
In der vergangenen Liga-Saison kompensierte Real seine Offensivschwäche über Europas beste Defensive. Von dieser Form war die Abwehr zuletzt aber weit entfernt. Besonders der vormals so zuverlässige Innenverteidiger Raphaël Varane erweist sich als regelrechter Fehlerteufel.
Kollektiver Höhepunkt der defensiven Pannenserie war ein 1:4 in Valencia, als jedes Mitglied der Viererkette entweder einen Elfmeter oder ein Eigentor verschuldete. Am Samstag allerdings gelang beim 1:0 in Sevilla mal wieder eine Leistung wie in der Vorsaison.
Altersstruktur der Mannschaft
Die Helden von drei Champions-League-Titeln in Folge zwischen 2016 und 2018 sind in die Jahre gekommen. Sergio Ramos, 34, Toni Kroos, 30, Luka Modric, 35, oder Karim Benzema, 32, trotzen erfolgreich dem Alter und sind immer noch Schlüsselspieler ihrer Mannschaft. Genau darin liegt aber auch ein Problem.
Mit Ausnahme von Varane, 27, oder Defensivstratege Casemiro, 28, fehlt es an Stars im "besten Fußballer-Alter". Neben den Routiniers prägen Talente wie der Norweger Martin Ödegaard, 21, oder die brasilianischen Außenstürmer Vinícus, 20, und Rodrygo, 19, das Team. Sie sind aber noch zu inkonstant für tragende Rollen.
Transferflops und umstrittene Abgänge
Versuche der Erneuerung sind bisher gescheitert. Aus einer 300-Millionen-Euro-Shoppingtour vom Sommer 2019 findet sich nur Linksverteidiger Ferland Mendy regelmäßig in der Startelf. Dribbelkünstler Eden Hazard, mit 100 Millionen Euro plus Prämien teuerster Transfer der Klubgeschichte, ist dauerverletzt. Stürmer Luka Jovic, für 60 Mio. aus Frankfurt geholt, erzielte in 32 (Kurz-)Einsätzen erst zwei Tore.
Zuletzt wurde gar nicht mehr investiert – sondern nur verkauft. Dabei gingen sowohl Perspektivspieler wie Achraf Hakimi (zu Inter) oder Sergio Reguilón (Tottenham) als auch Stars wie James Rodríguez (Everton) und Gareth Bale (Tottenham).
Verunglückte Rotationen
Kritiker werfen Reals Trainer Zinédine Zidane vor, das Team taktisch nicht zu entwickeln und mit seinen Rotationen daneben zu liegen. So verlor Real in der Liga gegen die Abstiegskandidaten Alavés und Cádiz, in der Champions League zweimal gegen Donezk.
Dort ließ Zidane vorige Woche den für das defensive Umschalten zentralen Casemiro auf der Bank. Prompt wurde sein Team zu einem 0:2 ausgekontert. Gegen Gladbach wird sich der Coach heute aber kaum auf Experimente einlassen – zu rechnen ist mit Reals bester Elf.