Spiele wie gegen ManCity hätten Festtage für Leipzig werden sollen. Nun kommen die Engländer zur Unzeit. Denn für die gebeutelten Sachsen stehen entscheidende Weichenstellungen an.
Gerade einmal drei Monate ist es her, da saß Jesse Marsch im kleinen Presseraum der Akademie von RB Leipzig am Cottaweg und sprach euphorisch über die Gegner in der Champions League. RB wolle gegen Manchester City und Paris St. Germain "nicht etwa konservativ spielen oder das Tor schützen". Vielmehr müsse sein Team mit "totaler Power, Aggressivität und Intensität spielen. Gegen die besten Gegner geben wir Vollgas!", rief Marsch mit leuchtenden Augen.
Zumindest die Europa League ist für RB Leipzig noch drin: Die Sachsen siegten 5:0 beim FC Brügge und können in ihrer Champions-League-Gruppe Platz drei aus eigener Kraft erreichen.
Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Manchester City ist von dieser Euphorie in Leipzig nichts mehr übrig. Seit Sonntag ist Marsch nicht mehr im Amt und der Champions-League-Halbfinalist von 2020 bangt darum, wenigstens in der Europa League überwintern zu dürfen.
Platz drei in der Champions-League-Gruppe will RB Leipzig erreichen. Das straffe Programm von Gegner Manchester City könnte für die Sachsen ein Vorteil sein, findet Thomas Skulski.
Das hängt mehr von den Launen der Starensembles aus Manchester und Paris ab, wo Leipzigs Konkurrent Club Brügge im Fernduell antritt, als von RB selbst. Da beide Favoriten schon für das Achtelfinale qualifiziert sind und sich auch an den Platzierungen auf den ersten beiden Rängen nichts mehr ändern kann, gleichen diese Duelle einer Wundertüte.
RB Leipzig sucht Trainer, Sportdirektor und Spielstil
Viel wichtiger als der Trostpreis Europa League, der eher als Stimmungsaufheller taugen würde, wäre für RBL eh, auch in der kommenden Saison die Champions-League-Hymne im eigenen Stadion zu hören. Bereits sieben Punkte beträgt der Rückstand des Tabellenelften auf Rang vier, der zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt. Nach unten zu Relegationsplatz 16 ist der Weg mit nur fünf Zählern kürzer. Noch nie stand RBL kurz vor der Winterpause so schlecht da.
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Nach der Entlassung von Marsch nach nur fünf Monaten ist der Klub gerade gezwungen, die Fehlentscheidungen des Frühjahrs zu korrigieren, als Julian Nagelsmann zu leichtfertig nach München abgegeben wurde und somit nach Ralf Rangnick der zweite große Vordenker und sportliche Stratege den Verein verließ.
Aktuell ist das Gefüge in Mannschaft und Klubführung so fragil wie seit 2012 nicht mehr. Nicht nur ein neuer Trainer - Roger Schmidt gilt als Topkandidat - sondern auch ein neuer Sportdirektor, die zusammenpassen müssen, werden gesucht. Dazu ein Spielstil mit einem Mix aus Ballbesitzphasen und Pressingspiel, der zum Entwicklungsstand der Mannschaft passt. Marschs wilden Run-and-Gun-Stil lehnten die Profis zunehmend ab. Nun müssen diese wegweisenden Entscheidungen kurz vor Weihnachten zu einer Unzeit mitten in der Saison getroffen werden.
Champions League als Garant für Geschäftsmodell
Denn für die weitere Entwicklung des Klubs ist die Königsklasse essenziell. Zum einen finanziell. Höhere Einnahmen durch die Champions League - etwa 30 bis 40 Millionen Euro fließen allein für die Teilnahme an der Gruppenphase - ermöglichen durch die Financial-Fairplay-Regel höhere Zuwendungen des Klubgründers, Investors und Hauptsponsors Red Bull.
So ist RB in der Lage, stärker in Team, Transfers und Infrastruktur zu investieren und so sein Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten. Auch der Kader von RB, der auf die Teilnahme an der Champions League ausgerichtet ist, gehört mittlerweile zu den 20 wertvollsten der Welt, wodurch Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten entstanden sind, die bedient werden müssen.
Die zweite Auslosung. Die erste um 12 Uhr wurde für ungültig erklärt. Kommentar: Béla Réthy
Attraktivität für Topspieler
Wichtiger ist aber die sportliche Attraktivität, die sich mit der Champions League verbindet. Die Aussicht, sich bei RB auf der größten europäischen Bühne zu zeigen, hat angehende internationale Topspieler wie Dani Olmo oder Christopher Nkunku bisher magisch angezogen. Rutscht RB aus dem elitären Zirkel heraus, sind diese beiden die nächsten, die für viel Geld den Klub wechseln und den Kader schwächen.
Wie die Historie gezeigt hat, kann Leipzig das wie 2018/19 mal für ein Jahr abfedern. Damals riss Rangnick persönlich das Ruder als Sportdirektor und Trainer wieder herum. Doch ein so omnipräsenter Entscheider war bei RB nicht mehr gewollt, der Klub strukturierte sich eher moderner nach dem Vorbild des heutigen Gegners: Manchester City.
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