Eigentlich wollte sie nur mutig sein, aber dann gewann Silke Sinning die Wahl zur DFB-Vizepräsidentin haushoch gegen Alt-Vize Rainer Koch. Die Botschaft: Veränderung ist möglich.
Nach der Neuwahl des DFB-Präsidiums beherrschte die Abwahl des langjährigen Vizepräsidenten Rainer Koch die Schlagzeilen. Trotz aller Kritik an ihm schien sein Netzwerk vorher zu stabil für eine Niederlage.
Hoffnung auf Ende der Lippenbekenntnisse
Dieses Netz beschädigte Koch vor der Kampfabstimmung gegen die Sportprofessorin Silke Sinning vor allem selbst. Seine Aufforderung an die Delegierten, entweder für ihn zu stimmen oder sich zu enthalten, offenbarte ein Demokratieverständnis, das ihn für 163 Delegierte unwählbar machte.
- Ein Neuanfang, der x-te
Der größte Sportfachverband der Welt hat einen neuen Präsidenten gewählt. Mal wieder. Von Neuanfang ist die Rede. Ein Kommentar zur DFB-Wahl von Bernd Neuendorf.
Zusätzlich hatte Koch es mit einer Kontrahentin zu tun, die glaubhaft machen konnte, dass es ihr nicht um den Posten geht, sondern um ihre Kernthemen. "Es geht vor allem darum, dass der DFB wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt", sagte Sinning vor der Wahl gegenüber ZDFheute. "Das gelingt nur, wenn die Menschen sich mehr beteiligen können. Wenn Frauen, Jugendliche oder Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen selbst bestimmen können, wie sie ihren Sport betreiben."
Suche nach neuen Herausforderungen
Die Vita von Sinning, die selbst Fußball gespielt und als Trainerin gearbeitet hat, zeigt ihre "Suche nach immer neuen Herausforderungen", wie sie ZDFheute sagte. Nach dem Mathematik- und Sportstudium arbeitete sie zunächst als Sporttherapeutin auf der Nordseeinsel Norderney, wechselte dann in den Schuldienst, promovierte und arbeitete später an verschiedenen Hochschulen. Seit April 2010 ist sie Professorin für Sportwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau.
Eine Funktionärskarriere stand nicht auf ihrem Lebensplan, aber durch ihre engagierte Arbeit in den jeweiligen Mädchen- und Frauenausschüssen von Kreis und Bezirk wurde sie schließlich Vorsitzende dieses Gremiums im Hessischen Fußball-Verband (HFV).
Ärger im eigenen Verband
Trotz dieser Bilderbuch-Laufbahn war bis kurz vor dem DFB-Bundestag kein Landesverband bereit, Sinning für die Wahl ins DFB-Präsidium zu nominieren. Im HFV distanzierte man sich sogar von ihrer Kandidatur, da sie im Team des Präsidentschaftskandidaten Peter Peters antrat, der HFV sich aber wie fast alle anderen Landesverbände auf Bernd Neuendorf festgelegt hatten.
Schließlich nominierte sie der Bayrische Fußball-Verband als Gegenkandidatin seines Vorsitzenden Koch - allerdings wohl unter der Annahme, dass Sinning nach der zu erwartenden Niederlage von Peters gegen Neuendorf gar nicht mehr antreten würde.
Besondere Situation führte zum Umdenken
"Bis letzte Woche habe ich immer deutlich gesagt, dass ich Team Peters bin und bei einer Niederlage von ihm nicht antrete", sagte Sinning nach ihrer Wahl. "Jetzt gab es aber die besondere Situation, dass Bayern auf mich zugekommen ist und mir viele zudem deutlich gemacht haben, ich solle doch wenigstens antreten."
Mit diesem Mut müssen auch die Führungsgremien des DFB jetzt rechnen. Wenn Sinning sich treu bleibt, wird sie ihre Anliegen konsequent gegen Widerstände vorantreiben. So wie im letzten Jahr den vorerst gescheiterten Versuch, im HFV Frauen autonom über ihren Spielbetrieb entscheiden lassen zu können.
Forderung nach Generationenvertrag
Auch der Kinder- und Jugendfußball wird mit Sinning eine neue starke Stimme im DFB-Präsidium haben. Gemeinsam mit Ralf Klohr, dem Erfinder der Fair-Play-Liga, und anderen hat sie ein Modellprojekt für den Jugendfußball entwickelt, das die Spieler stärker in Entscheidungen einbezieht.
- Bernd Neuendorf - Ansage mit Haltung
Auf den neuen DFB-Präsident Bernd Neuendorf warten eine Menge Aufgaben. Und er muss den Umgang mit Rainer Koch klären.
"Wir brauchen einen Generationenvertrag und müssen den DFB so aufstellen, dass er für die Jugendlichen langfristig interessant ist", sagt Sinning. "Wer mitbestimmen kann, ist länger dabei."