Die Entrüstung über DFB-Präsident Keller nach dessen verbalen Entgleisung ist riesig. Keller will an seinem Amt festhalten. DFL und DFB-Funktionäre gehen auf Abstand.
Die verbale Entgleisung von DFB-Präsident Fritz Keller hat im deutschen Sport Entsetzen ausgelöst. Der Druck auf den 64-Jährigen wächst. Dieser entschuldigte sich am Dienstag erneut für seine Aussage, schloss einen Rücktritt aber aus.
Curtius und Osnabrügge mit harter Kritik
DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge kritsierten Keller scharf. "Wir distanzieren uns deutlich und in aller Form von der Äußerung, die DFB-Präsident Fritz Keller in Richtung von DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch im Rahmen der Präsidiumssitzung am 23. April 2021 getätigt hat".
Kellers Äußerung sei "inakzeptabel und nicht zu tolerieren." Zuvor hatten auch die Vertreter der Deutschen Fußball Liga im DFB-Präsidium mit DFL-Geschäftsführer Christian Seifert sich von Kellers Äußerungen distanziert.
Anzeige bei DFB-Ethikkommission
DFB-Chef Keller hatte seinen Vizepräsidenten Rainer Koch bei einer Präsidiumssitzung am vergangenen Freitag nach übereinstimmenden Berichten von "bild.de" und "Der Spiegel" mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Keller entschuldigte sich daraufhin bei Koch. Dieser hat die Entschuldigung bisher nicht angenommen, will aber mit Keller sprechen.
Nach "Spiegel"-Informationen hat Curtius die Verfehlung des DFB-Bosses bei der Ethikkommission des Verbandes angezeigt. "Wir haben großes Vertrauen darauf, dass diese mit ihrer Entscheidung die Glaubwürdigkeit des DFB wiederherstellen wird", schrieben Curtius und Osnabrügge.
Das Präsidium des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) legte Keller indirekt der Rücktritt nahe:
teilte der BFV nach einer Videokonferenz ohne seinen Präsidenten Rainer Koch mit: "Mit einem derartigen Verhalten, das jedwede Grenzen überschreitet und nicht zu tolerieren ist, wird er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht", hieß es weiter. Auch das Präsidium des mächtigen Süddeutschen Fußball-Verbandes (SFV) reagierte mit "Entsetzen und völligem Unverständnis" auf die Wortwahl von Keller.
BFV-Präsident: Kein "weiter so"
Der Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV), Bernd Schultz, erhofft sich auf dem für das Wochenende angesetzten Regionaltreffen der Landesverbände eine Klärung. Nach seinen Angaben nehmen daran auch Keller und DFB-Generalsekretär Curtius teil. Ein "weiter so" dürfe es nicht geben. Seit Monaten tobt ein Machtkampf zwischen Keller und Curtius.
DFB-Boss Fritz Keller hat sich mit einem Nazi-Vergleich selbst in Bedrängnis gebracht. Er solle seinen Hut nehmen und damit der DFB-Ethikkommission zuvorkommen, findet Nils Kaben.
Kritik aus der Politik
Reaktionen kamen auch aus der Politik: Dagmar Freitag, die langjährige Sportausschuss-Vorsitzende im Deutschen Bundestag, bezeichnete Kellers Äußerung als "nicht hinnehmbar".
Ein Sprecher des Sportministeriums sagte, Nazi-Vergleiche "bergen immer die Gefahr, dass das NS-Unrecht verharmlost wird, und sie sind daher zu missbilligen", so der Sprecher: "Der Nationalsozialismus ist für Millionen Tote und für unendliches Leid verantwortlich. Und dessen muss sich jeder stets bewusst sein und sich entsprechend verhalten."
Keller: Äußerung war ein "Foul"
In einer Stellungnahme auf der Homepage des DFB entschuldigte sich Keller am Dienstag erneut. Seine "Bemerkung" gegenüber Koch bezeichnete er als "schwerwiegenden Fehler". Er freue sich, dass Koch zu einem gemeinsamen Gespräch bereit sei, so Keller, der weiter an seinem Amt festhalten will: "Einen Rücktritt schließe ich aus", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2.600 Todesurteile verhängte. Darunter auch gegen die Widerstandsgruppe "Weiße Rose".