DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat im Zuge der Diskussion um Bundestrainer Joachim Löw Selbstkritik geübt. Zugleich hat er die Arbeit des Bundestrainers Löw energisch verteidigt.
"Im absoluten Ausnahmejahr 2020 konnte der Bundestrainer gar keine Entwicklung vorantreiben", sagte Bierhoff in einer Videokonferenz im Anschluss an die DFB-Präsidiumssitzung in Frankfurt/Main. Der DFB-Direktor hatte der Verbandsspitze zuvor seine Einschätzung der vergangenen zwei Jahre präsentiert. "Wir im DFB haben am Anfang der Corona-Pandemie gesagt: Hauptsache, wir machen die Spiele. Hauptsache, wir kommen durch", berichtete Bierhoff.
Sportliche Ziele in 2020 alle erreicht
Diese brauche Zeit und mehr Trainingseinheiten. Alle Ziele seien 2020 erreicht worden, betonte Bierhoff: "Die EM-Qualifikation, der Klassenerhalt in der Nations League, das Ziel, in der EM-Qualifikation ein Gruppenkopf zu werden. Haken hinter", bilanzierte der DFB-Manager.
DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat Bundestrainer Joachim Löw verteidigt, einen Freifahrtsschein für Löw bis zu dessen Vertragsende 2022 erteilte Bierhoff aber nicht.
Die sportliche Stagnation nach einem Jahr der kontinuierlichen Weiterentwicklung sei auch mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und vielen Verletzungen zu erklären: "Es ist ein tolles Ergebnis, das der Bundestrainer unter diesen Umständen und Schwierigkeiten erreicht hat."
Spieler kommen gerne: "Kein Sauhaufen"
Löw, das war vorher bereits beschlossen worden, darf seine Arbeit trotz des jüngsten 0:6-Debakels in Spanien fortsetzen. "Die Spieler folgen dem Trainer", sagte Bierhoff. Die Mannschaft sei "kein Sauhaufen": "Die sind alle stolz und kommen gerne zu uns."
Das öffentliche Reizthema eines Comebacks des Ü30-Trios Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng beantwortete Bierhoff ohne klares "Ja" oder "Nein" - aber mit unveränderter Tendenz. "Es ist keine Sturheit, wenn Jogi auf die Spieler verzichtet", sagte Bierhoff. "Am Ende spricht man über alle Spieler. Aber man spricht nicht, sollen wir Mats morgen zurückholen oder nicht? Bei einer Entwicklung nimmt man bewusst Dinge in Kauf."
Große Erfolge, aber auch tiefe Krisen und viel Kritik prägen die Ära Löw. Ein Rückblick auf Löws Sternstunden und Tiefpunkte als Fußball-Bundestrainer.
Bierhoff: Löw wird über Spanien-Debakel sprechen
Bierhoff lobte den Bundestrainer für dessen Nehmer-Qualitäten angesichts der zahlreichen Kritik nach dem 0:6: "Es ist heftig gewesen, was diese Tage passiert ist. Er kann das aber auch schlucken", so Bierhoff. Der DFB-Direktor ergänzte: "Die äußerliche Kritik tut natürlich weh, haut aber in dem Sinne nicht um. Viel mehr hat man Wut bei ihm gesehen", so Bierhoff, der ankündigte, dass Löw in der kommenden Woche öffentlich seine Aufarbeitung des Spanien-Debakels darlegen will. Auch DFB-Präsident Fritz Keller, teilte der Verband währen der Videokonferenz mit, werde sich vor Weihnachten noch einmal allen Fragen stellen.
Kein Freifahrtschein für Löw bis 2022
Für 2021 nannte Bierhoff als Ziele eine erfolgreiche EM, die WM-Qualifikation und die weitere sportliche Entwicklung. "Ich bin überzeugt, dass Joachim Löw und Marcus Sorg das mit ihrer Kompetenz und Erfahrung meistern werden. Ich habe volles Vertrauen", betonte er.
Gleichwohl. Einen Freifahrtschein bis zum Vertragsende nach der Winter-WM 2022 bekam Löw von Bierhoff nicht ausgestellt.
Es sei in seiner Position "auch die Aufgabe, Alternativen aufzubauen", so Bierhoff. Beim DFB-Präsidenten scheint über die EM hinaus kein Zutrauen mehr in Löw zu bestehen. Von einem "heftigen Streit" zwischen Keller und Löw mochte Bierhoff aber nicht reden. "Man diskutiert auch mal laut."