DFB-Pokal: Oberachern – Gladbach:Ein Geschenk für die Lebensgeschichte
von Andreas Morbach
31.07.2022 | 07:48
|
Der SV Oberachern trifft als einziger von fünf Oberligisten in der ersten Pokalrunde auf einen Erstligaklub. Krasser Außenseiter zu sein, bereitet den Badenern aber großen Genuss.
Blickt gespannt auf den Pokalfight gegen Mönchengladbach: Fabian Himmel, Trainer vom Oberligisten SV Oberachern.
Quelle: dpa
An den frühen Abend des 29. Mai kann sich Fabian Himmel noch sehr gut erinnern. Mit seinem Trainerteam saß der Chefcoach des SV Oberachern bei der Auslosung der ersten Runde im DFB-Pokal. Und prompt bescherte der frühere Nationalspieler Kevin Großkreutz dem Fünftligisten aus dem Nordschwarzwald einen Traum-Gegner.
Den Moment genießen und aufsaugen
"Als der Herr Großkreutz die Kugel mit Gladbach gezogen hat, hab ich’s immerhin noch geschafft, sitzen zu bleiben", rekapituliert Fabian Himmel seinen damaligen Zustand im Dortmunder Fußballmuseum gegenüber ZDFheute.
Aber meine Arme, das sieht man auch auf den Fernsehbildern, sind relativ unkontrolliert durch den Saal gewandert.
Fabian Himmel über den Moment der Pokalauslosung
Die Partie gegen die Fohlenelf bezeichnet Oberacherns Übungsleiter als "Geschenk" – und empfiehlt seinen Kickern, mit einem Altersdurchschnitt von knapp über 21 Jahren das jüngste Team in der Oberliga Baden-Württemberg, für Sonntagnachmittag vor allem eines: "Genießen. Jeden Moment aufsaugen."
Alltag wie auf einem Dorfsportplatz
Im Gegensatz zu den meisten anderen Klubs in ihrer Spielklasse haben die Oberacherner in ihrem Waldsee-Stadion keine Tribüne. Stattdessen stehen die Zuschauer bei Heimspielen dort einfach hinter der Bande.
"Das ist wie auf einem ganz normalen Dorfsportplatz", erklärt Himmel. Entsprechend spielt der SVO in der Oberliga mit einer Ausnahmegenehmigung. Die Pokalpartie gegen Gladbach – vor gut 10.000 Zuschauern – findet im Freiburger Dreisamstadion statt.
Für einen Tag wie ein Profi fühlen
"Von der Busfahrt über die Ankunft bis hinein in die Kabinen – die Jungs dürfen sich einmal auch ein bisschen wie eine Profimannschaft fühlen", blickt Himmel auf das bevorstehende Highlight in der 94-jährigen Vereinsgeschichte, sagt aber auch etwas wehmütig:
An so einem Tag würde ich fast lieber noch mal auf dem Platz stehen.
Fabian Himmel
Zwei Kreuzbandrisse im Teenageralter stoppten seine Vorstellungen von einer bescheidenen Karriere im höheren Amateurbereich schon früh. Und ganz unbescheiden sagt der 29-Jährige heute: "Natürlich ist es mein Traum, Profitrainer zu werden."
Fußball á la Jürgen Klopp als Vorbild
Auch Julian Nagelsmann, der mit 28 Bundesligacoach geworden sei, habe eine schwere Verletzung früh auf die Trainerschiene gebracht, erwähnt Himmel. Im nächsten Satz macht der gebürtige Rastatter aber deutlich: "Am besten gefallen hat mir immer der Fußball von Jürgen Klopp. Das ist bis heute so."
Nun kommt es immerhin zum Duell mit Gladbachs neuem Bank-Chef Daniel Farke. Die Chancen auf eine Oberacherner Sensation schätzt Mannschaftskapitän Nicola Leberer, früher zwei Jahre lang beim SC Freiburg II unter Vertrag und mit dem Dreisamstadion daher bestens vertraut, auf "unter fünf Prozent". Sein Trainer glaubt: "Unter ein Prozent."
Ein bisschen träumen muss sein
Auf der anderen Seite ist Fabian Himmel ein ehrgeiziger Mann, der mit seinem Team einen klaren Offensivfußball pflegt. Deshalb betont er: "Wir wollen auch ein bisschen träumen. Und ich finde, das ist im Pokal, wo es schon so viele Wunder gegeben hat, auch nicht verboten."
Zugleich beweist Himmel jedoch sehr viel Realitätssinn – und scherzt:
Die Gladbacher Spieler werden sich sicher nicht in die Hosen machen, wenn der SV Oberachern versucht, ins Pressing reinzukommen.
Fabian Himmel
Innenverteidiger Leberer empfindet beim Gedanken an das Duell mit dem fünfmaligen Deutschen Meister "Freude pur". Und Trainer Fabian Himmel betont: "Das ist einfach etwas Schönes, auch für die Lebensgeschichte. Mal sagen zu können: Man hat’s im Fußball vielleicht nicht nach ganz oben geschafft, aber man hat sich bestimmte Momente erarbeitet."