Nach dem starken Sieg gegen die Türkei träumt ganz Italien von neuen magischen Nächten. Dank zweier enger Freunde, die bei der Heim-WM 1990 zu den großen Verlierern gehörten.
Dieser Vergleich musste kommen. "Italien fliegt mit seinen Tor-Zwillingen", titelte goal.com nach dem furiosen EM-Start der Azzurri gegen die Türkei. Gemeint waren aber nicht Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini (56) und Delegationschef Gianluca Vialli (56), die sich einst als Sturmduo von Sampdoria Genua den Beinamen "gemelli del gol" verdienten, sondern Ciro Immobile und Lorenzo Insigne.
Tiefpunkt bei der WM "Italia 90"
Die zwei Neapolitaner sind seit Jugendtagen befreundet, spielten früher zusammen für Pescara in der Serie B - im Trio mit Mittelfeldstar Marco Verratti - und machten es gleich im Eröffnungsspiel besser als ihre heutigen Vorgesetzten. Der Ex-Dortmunder Immobile staubte zum 2:0 ab, der 1,63 Meter große Linksaußen Insigne schlenzte den Ball zum 3:0-Endstand ins Tor.
Von einer solchen "notte magica" im Stadio Olimpico von Rom konnten Mancini und Vialli 1990 nur träumen. Italiens Heim-WM ist der Höhe- und zugleich der Tiefpunkt ihrer Spielerkarrieren.
Vialli und Mancini kennen sich seit 40 Jahren
Vialli setzte in der Vorrunde einen Strafstoß an den Pfosten. Kurz danach war er seinen Stammplatz am späteren WM-Torschützenkönig Totò Schillaci los. Und Mancini? Der kam gar nicht zum Einsatz.
Auch diese Erfahrung eint die Tor-Zwillinge, die nach Viallis Wechsel zu Juventus 1992 eng verbunden blieben - und für die wohl bekannteste Fußballerfreundschaft des Landes stehen. "Wir kennen uns seit über 40 Jahren", verriet Vialli im Doppelinterview bei "Rai".
Matthäus und Klinsmann chancenlos
Im Mai erschien ihr gemeinsames Buch. In "La bella stagione" (Die schöne Saison) zollen Vialli und Mancini dem famosesten ihrer acht Jahre in Genua Tribut. 1991 ließen sie das große Milan und Inter mit den Weltmeistern Matthäus, Klinsmann und Brehme hinter sich. Und führten Sampdoria Genua zum bis heute einzigen Meistertitel.
Passagen wie diese könnten auch einem Leitfaden entnommen sein, mit dem das Duo den Neustart der Azzurri nach dem Scheitern in der WM-Qualifikation 2017 vorantreibt:
Generell scheinen Mancini und Vialli auch deshalb prädestiniert für ihre Rollen, weil sie wissen, wie es nicht geht. Ihre eigene Länderspielkarriere war eine Geschichte zwischen Missverständnissen und rebellischen Akten.
Jugendsünde Manhattan
Von Rauswürfen nach Nachtausflügen in Manhattan (Mancini 1984) bis hin zu Zerwürfnissen mit Trainern wie Arrigo Sacchi, in dessen Schema sie nicht passten, ließen die Sturmpartner wenig aus.
59 Länderspiele und 16 Tore (Vialli) respektive 36 Einsätze und vier Treffer (Mancini) bilden deshalb im Gegensatz zu ihren titelreichen Vereinsjahren kaum ab, dass beide zu den Talentiertesten ihrer Generation gehörten.
Mancinis Tor gegen Deutschland
Eine Ausnahme in Azurblau gibt es. 1988 in Deutschland - die Weltmeister von 1982 hatten ausgedient - waren Mancini und Vialli Teil jener stark verjüngten Nationalelf, die sich mutig bis ins EM-Halbfinale spielte.
Mancini traf beim Auftakt gegen Deutschland (1:1) zur Führung. Vialli ebnete Italien mit dem 1:0-Siegtor im zweiten Match gegen Spanien den Sprung unter die letzten Vier.
Zweites EM-Spiel gegen die Schweiz
Jetzt schließt sich der Kreis. Im Mai 2018 übernahm Mancini die Azzurri, gab sich geläutert ob seiner Jugendsünden und holte Ende 2019 Kumpel Vialli ins Boot, der nach der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs als tumorfrei gilt.
Zusammen formten sie ein Kollektiv, das stark an die Jungspunde von 1988 und 1990 erinnert. Am Mittwoch gegen die Schweiz (21 Uhr/ARD) kann Italien den Achtelfinaleinzug in der Gruppe A klarmachen. Ob die Tor-Zwillinge bereit sind, ihren Spitznamen an Immobile und Insigne abzutreten, ist noch zu klären.
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