Der FC Bayern durchlebt eine Sinnkrise. Macher und Mitglieder streiten auf der Jahreshauptversammlung ums Katar-Sponsoring: wieviel Moral kann/will sich der Vorzeigeklub leisten?
Der Vorstand des FC Bayern München hat am Donnerstagabend ein schweres Auswärtsspiel bestreiten müssen. Eine Partie gegen eigene Vereinsmitglieder. Die Jahreshauptversammlung entwickelte sich zu einem Match, in dem kein Sieger ermittelt werden konnte und das für die Vereinsbosse nach heftiger Nachspielzeit unter lauten Buhrufen unschön zu Ende ging.
Ist Geld mittlerweile das einzige Ideal im Fußball?
Streitpunkt waren keineswegs etwa die hohen Umsatzeinbußen in der Corona-Krise von beachtlichen 100 Millionen Euro. Auch die schon lange heftig geführte Diskussion um Impfverweigerer Joshua Kimmich ließ die Fieberkurve kaum steigen. Stattdessen müssen sich Herbert Hainer, Oliver Kahn und ihre Führungsriege lautstarker Vorwürfe ethischen Foulspiels erwehren.
Katar ist einer der größten Geldgeber im internationalen Fußball. Dieses Engagement hat politische Gründe. Bei Fans sorgt das für Unmut.
Der Streit um die millionenschwere Sponsor-Partnerschaft mit Katar dreht sich letztlich um die Frage: Geht‘s im Profifußball nur ums Geld oder sind auch andere Ideale wichtig?
Klare Quittung für die Bayern-Bosse
Wer etwa, wie der neue Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn, gegen den Finanzwahnsinn der Ölstaaten im Fußball predigt ("Wir kämpfen an vorderster Front, dass Investoren nicht unbegrenzt Geld in Klubs pumpen können!"), darf sich nicht wundern, wenn ihm im selben Atemzug moralische Bedenken gegen die Millionen aus dem menschenrechtsverletzenden Scheichstaat Katar entgegenfliegen.
Zu lange haben die Bayern-Bosse diese drängende Haltungsfrage der eigenen Mitglieder wortkarg aussitzen wollen, an diesem Abend haben Hainer, Kahn und Co. für diesen oft angebotenen, aber letztlich nie wirklich realisierten Dialog mit den Anhängern die Quittung bekommen. Ihre eigene Satzungsneufassung abgeschmettert, stattdessen schreiben ihnen die eigenen Fans ins Satzungs-Stammbuch, sich demnächst zu Menschenrechten bekennen und dafür einsetzen zu müssen.
Ethisch-moralische Komponente im Mittelpunkt
Eine Ohrfeige! Auch, wenn coronabedingt nur knapp 800 von 293.000 Mitgliedern tatsächlich abstimmen konnten und vor Ort wollten: Ein klarer Auftrag, der ethisch-moralischen Komponente im Millionenspiel Fußball endlich mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit zu geben. So gesehen könnte dieser tumultartige Abend auch einen Wendepunkt bedeuten.
Fünftes Spiel, fünfter Sieg: Mit dem 2:1 bei Dynamo Kiew hat sich der FC Bayern vorzeitig Platz eins in der Gruppe E der Champions-League-Vorrunde gesichert.
Ob der FCB allerdings seine vielgerühmte Vorreiterrolle hier abseits des Platzes wahrnehmen wird, erscheint fraglich. Das Dilemma ist schließlich riesengroß und letztlich kaum zu überwinden: Haltung schießt keine Tore, immerhin das Kerngeschäft. Geld allein zwar bekanntlich auch nicht, aber für eine international konkurrenzfähige Mannschaft braucht’s dennoch atemberaubend hohe Summen, die finanziert werden müssen.
Anpfiff für eine nachhaltigere Zukunft
Zumal der Verein und die Aktiengesellschaft der Bayern ziemlich bald handlungsunfähig wären, wenn durch Basis-Demokratie entschieden würde, wie und mit wem das Geld verdient werden soll. Die Diskussion darüber ist allerdings unerlässlich, auch abseits aller satzungsrechtlichen Verpflichtungen. Sonst wird der FC Bayern schneller, als ihm lieb ist, der deutsche Vorreiterklub in Sachen Entfremdung. Darum darf dieser beispiellose Abend in Bayerns Basketballhalle nur der Anpfiff und keineswegs der Schlusspfiff gewesen sein.
Der FC Augsburg sorgt für neue Spannung in der Liga: Das 2:1 der Augsburger gegen den FC Bayern war für die Münchner die zweite Saisonniederlage.