Der Kollaps von Christian Eriksen hat die Aufmerksamkeit auf Herzprobleme bei Sportlern gelenkt. Nach Ansicht des DFB-Mediziners Tim Meyer ist der deutsche Fußball gut gewappnet.
Das Fußballjahr 2021 war in vielerlei Hinsicht besonders. Mitten während der Europameisterschaft diskutierte die Öffentlichkeit über den Dänen Christian Eriksen, der nur knapp dem Herztod entkam. Am Jahresende beendete Sergio Agüero unter Tränen seine Karriere. Auf Anraten der Mediziner, nachdem der Argentinier Wochen zuvor mit Herzrhythmusstörungen zusammengesackt war. Wie gut ist der deutsche Profifußball bei dieser Problematik aufgestellt?
Früherkennung bei Herzerkrankungen ist wichtig
Dazu äußert sich Tim Meyer, Leiter der Medizinischen Kommission beim Deutschen Fußball-Bund, gegenüber ZDFheute. Zunächst einmal empfehle die Europäische Kardiologengesellschaft ESC für Tauglichkeitsuntersuchungen zur Früherkennung von Herzerkrankungen folgendes Programm: Erhebung der Krankengeschichte, körperliche Untersuchung, Ruhe-EKG.
- Keine Limits, keine Angst
Stabhochspringerin Katharina Bauer betreibt mit einem Defibrillator Spitzensport. Dem dänischen Fußballer Christian Eriksen rät sie: "Alles probieren!"
"Die Europäer stützen sich vorwiegend auf Daten aus Italien, die Domenico Corrado über mehr als 20 Jahre ausgewertet hat", erklärt Meyer. Aktuelle Schätzungen der Inzidenz des plötzlichen Herztodes bei Sportlern reichen von fast eins zu einer Million bis 1:23.000 Sportler pro Jahr. Die am häufigsten anerkannte Inzidenz bei Sportlern liegt bei 1:200.000.
Der plötzliche Herztod ist aufgrund seiner komplexen Genese also nicht nur eine ärztliche Herausforderung, sondern auch ein relativ seltenes Ereignis, das jedoch durch eine frühzeitige Erkennung einer möglichen Grunderkrankung effektiv vermieden werden kann.
Weit über dem Mindeststandard
Was passiert derzeit im deutschen Profifußball? Das System beinhaltet für die 1. und 2. Bundesliga jährlich vor Saisonbeginn neben dem ESC-Programm weitere Untersuchungen, erläutert Meyer: Echokardiographie (Ultraschall des Herzens), Belastungs-EKG, ausführliches Labor-Screening. "Sonst wird keine Spielerlaubnis erteilt."
Der Professor vom Institut für Sport und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes begleitet die deutsche A-Nationalmannschaft, hat das Hygienekonzept für die Fortsetzung des Spielbetriebs in Corona-Zeiten ausgearbeitet und arbeitet in zahlreichen internationalen Gremien mit.
"Insbesondere scheinen sehr häufig sporterfahrene Kollegen die Untersuchungen durchzuführen, was natürlich vorteilhaft ist." Experten bescheinigen der Bundesliga eine hohe Sensibilität für das Thema. Ein Kardiologe befindet sich inzwischen in jedem medizinischen Team.
Abgestuftes System
"Das deutsche System ist in dem Sinne einzigartig, dass wir zumindest in den oberen Klassen ein gestuftes System haben, das eine unterschiedliche Gefährdung z. B. bei den Frauen oder bei sehr jungen Spieler*innen und unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten berücksichtigt“, sagt Meyer.
Die abgestuften Versionen gehen von der Männer-Bundesliga, über die Frauen-Bundesliga, 3. Liga und die Regionalligen bis runter zu den A- und B-Junioren Bundesligen und den Nachwuchsleistungszentren. Keine Untersuchung darf unterhalb der ESC-Empfehlungen bleiben.
Den Amateuren fehlt oft das Geld
Auch der Weltverband ist seit einigen Jahren für die Thematik des "Sudden Cardiac Death" (SCD) sensibilisiert. Um die genaue Inzidenz des plötzlichen Herztodes im Fußball zu ermitteln, hat die FIFA ein Register für solche Fälle eingerichtet, das in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes entwickelt wurde.
Daraus erhoffen sich alle weitere Aufschlüsse. Zahlenmäßig viel wichtiger als der professionelle Fußball sind für Meyer aber die Ligen darunter.
- So läuft die Erste Hilfe im Amateurfußball
Christian Eriksen überlebt bei der EM einen Herzstillstand, weil sofort lebensrettende Maßnahmen eingeleitet werden. Wie aber steht es um die Sicherheit im Amateurfußball?
"Während die Bundesligaklubs leicht zur Durchführung derartiger Untersuchungen verpflichtet werden können, ist das aus verschiedenen Gründen - Geld, Organisationsform der Klasse etc. - einige Klassen niedriger nahezu unmöglich", sagt der Sportmediziner. "Dann ist es oft eine Angelegenheit der persönlichen Initiative und der Zahlungsbereitschaft der Krankenkassen. Hier liegt nach meinem Dafürhalten das eigentliche Problem."