Mit Freiburg nach Europa, mit Italien zur EM – die Ziele von Vincenzo Grifo sind hoch gesteckt, aber nach dem Aufschwung in dieser Saison alles andere als unrealistisch.
Mit seinen sieben Toren und fünf Assists gehört Vincenzo Grifo unzweifelhaft zu den Säulen des Freiburger Aufschwungs in dieser Saison. Deshalb darf der italienische Nationalspieler auch ohne Scheu über die Ambitionen sprechen, die man im Südwesten nur insgeheim zu leben scheint. Dort spricht man am liebsten nur vom Klassenerhalt.
Träumen, meint er, ist beim SC trotz der zur Schau gestellten Bescheidenheit ausdrücklich erlaubt. "In Freiburg wird eben anders gedacht. Wir denken wirklich von Spiel zu Spiel. Aber, wenn wir die Chance haben, oben mitzuspielen, dann wollen wir das auch."
Auf Tuchfühlung zur Spitze
Die große Chance scheint in dieser Saison zum Greifen nahe. Zwei kleine Pünktchen sind es nach 21 Spieltagen noch bis zum Tabellensechsten Borussia Dortmund.
"Wir sind zuerst demütig. Aber wir sind auch eine coole Truppe, die Power auf den Platz bringt. Wir halten den Ball flach, aber wir sind auch extrem hungrig." Europa sei noch kein großes Thema, "weil wir lieber den Ball flach halten, aber klar ist, jeder will als Fußballer genau dorthin."
Aufschwung durch Rückkehr nach Freiburg
Warum es in dieser Saison so gut läuft für ihn weiß Grifo ziemlich genau. "Freiburg war kein Rückschritt für mich. Im Gegenteil. Der SC hat mich wieder aufgebaut," sagt er und fügt an: "Man hat mir die Chance gegeben, wieder aufzublühen. Das hatte viel mit Vertrauen zu tun."
Auf die Leistung in der ersten Halbzeit beim 0:0 gegen Union könne man aufbauen, sagt Schalke-Trainer Christian Gross. Nabil Bentaleb habe sich "sehr gut reingebracht".
Das spürte er bei seinen Stationen in Hoffenheim und Mönchengladbach nicht. Für die hatte er Freiburg verlassen. 2019 kehrte der verlorene Sohn zurück. "Vieles lag sicher an mir, dass es dort nicht so gut lief. Fußball aber hat viel mit Vertrauen zu tun, das bekomme ich in Freiburg", so der gebürtige Pforzheimer.
Vaterfigur Streich das Fundament
"Er versucht jeden Spieler jeden Tag besser zu machen, auch mich. Er versprüht eine unbändige Arbeitslust," sagt Grifo über den dienstältesten Trainer der Bundesliga. Der 55-Jährige Cheftrainer der Breisgauer sei ein in allen Belangen "außergewöhnlicher Coach" und eine Vaterfigur, die viel verlangt und viel gibt.
Der umtriebige Streich teilt manchmal auch die Träume seiner Spieler. "Die Squadra Azzurra war sein Traum – und irgendwie meiner auch," sagte Streich. Nach vier Länderspielen im italienischen Trikot könnte der Traum nun weitergehen. "Ich hoffe, ich bin bei der EM dabei. Aber zuerst steht der Klub, das ist die Grundlage für alles Weitere", so Grifo.
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EM mit Italien
Gut vorbereitet scheint der Sohn italienischer Einwanderer in jedem Fall. Zuhause wird nicht nur italienisch gesprochen, sondern auch gegessen. In der Dokumentenschublade liegt ein italienischer Pass. "Für mich kam immer nur Italien in Frage", sagt er. Einmal für sein Geburtsland Deutschland aufzulaufen, kam ihm nicht in den Sinn.
Mit der Berufung ins italienische Nationalteam "ging ein Traum in Erfüllung. Plötzlich triffst du die Jungs, die du nur aus dem Fernsehen kannst. Ein unbeschreibliches Gefühl." Deshalb gibt es nur ein Ziel (außer denen mit Freiburg). Die EM mit Italien zu gewinnen.
Enge Bande nach Pforzheim
"Dass ich in Pforzheim vieles im Fußball auf dem Bolzplatz gelernt habe, war genau der richtige Weg für mich," sagt der Spätberufene, der erst mit 18 den Weg in den Profifußball fand. "Wer weiß, was aus mir geworden wäre, wäre ich in einem Nachwuchsleistungszentrum eines Vereins gewesen."
Auf dem Bolzplatz "lernst du die Ellbogen auszufahren. Mich hatte immer mein größerer Bruder mitgenommen und beschützt. Ich war immer der Kleinste und musste mich gegen Größere durchsetzen. Pforzheim bleibt immer meine Heimat."