Die Fußball-WM in Katar wirft ihre Schatten voraus. In Mainz, München und Augsburg sorgen Testspiele für aufgeregte Diskussionen über die Haltung zu Menschenrechten.
Manch aktiver Fußballfan des TSV 1860 München ist heute Nachmittag in der Zwickmühle, wenn der Livestream des Testspiels der Löwen im österreichischen Trainingslager gegen Newcastle United startet. Auf der einen Seite würde er es wohl gern wie sein Klub-Präsident halten, der gesagt hatte: "Ich werde dem Spiel fernbleiben."
Respektvolles Zeichen ohne Brüskierung
Auf der anderen Seite ist er womöglich gespannt, zu welchem Entschluss Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel gelangt ist, der darüber nachdenken wollte, "wie man bei dem Spiel gegen Newcastle ein respektvolles Zeichen setzen kann, ohne den Gegner zu brüskieren".
Seit der Premier-League-Klub vor etwas mehr als einem halben Jahr von einem saudi-arabischen Staatsfonds unter Leitung des Kronprinzen Mohammed bin Salman übernommen wurde, ist er von kritischen Fans in ganz Europa mit dem Vorwurf des Sportwashing konfrontiert - also der Legitimation von Menschenrechtsverletzungen durch Sportveranstaltungen.
Löwen-Präsident an der Spitze der Kritiker
Bei den Löwen setzte sich der gerade wiedergewählte Präsident Gerd Reisinger an die Spitze der Kritiker.
"In Saudi-Arabien werden Menschenrechte und die Rechte der Frauen mit Füßen getreten und Homosexuelle für ihre Sexualität bestraft." Für das Spiel wünschte sich Reisinger, "dass unser Team ein Zeichen setzt und - zum Beispiel - bei dem Spiel eine Armbinde in den Regenbogenfarben der LGBTQ-Community trägt."
Auch beim FSV Mainz 05 hat dessen für den 18. Juli ebenfalls in Österreich geplantes Testspiel gegen Newcastle hohe Wellen geschlagen. Die Fan-Vereinigung Supporters e.V. forderte Anfang Juli eine Absage des Spiels. "Von diesem Spiel geht das Signal aus, dass die Werte des Leitbildes nicht verbindlich sind, wenn es um die Wahl von Gegnern für Test- oder Freundschaftsspiele geht", heißt es in einem offenen Brief der Supporters .
Sportvorstand von Mainz 05 lehnt Absage ab
Der Vorsitzende von Mainz 05, Stefan Hofmann, bedauerte zwar die "Irritationen" und kündigte Gespräche mit den Fans an. Eine einseitige Absage ist laut Sportvorstand Christian Heidel aber aufgrund vertraglicher Verpflichtungen und der möglichen "schwerwiegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen" undenkbar.
Zusätzliche Brisanz bekommt das Spiel durch die vielfach verbreitete Meldung, dass Newcastle an einer Verpflichtung des Mainzer Stürmers Jonathan Burkardt interessiert sei. Nach Recherchen der in Mainz erscheinenden "Allgemeinen Zeitung" basiert das Gerücht allerdings nur auf dem Vorschlag eines einzigen Sport-Portals für Newcastles Stürmersuche.
Diskussion um Menschenrechte nimmt zu
In der Diskussion um Newcastle United wirft die bevorstehende WM in Katar ihre Schatten voraus. Mit jedem Tag, den diese näher rückt, scheint die Frage nach der Haltung zu Menschenrechten mehr in den Fußball zu dringen. Amnesty International hat DFB-Präsident Bernd Neuendorf unter anderem aufgefordert, Arbeitsmigranten zu entschädigen, "deren Menschenrechte im direkten Zusammenhang mit der Fußball-WM verletzt wurden".
In Katar wollen die deutschen Fußballer nach dem Titel greifen, aber erstmal erfuhren sie bei einer Podiumsdiskussion, wie es um das Gastgeberland steht.
Fan-Organisationen wie "Unsere Kurve" arbeiten daran, dass das "Skandalturnier" nicht ohne Protest und kritische Begleitung über die Bühne geht. Und der FC Bayern München veranstaltete nach vehementer Fankritik an seiner Zusammenarbeit mit Katar auf Druck kürzlich einen Runden Tisch zu diesem Thema.
Diese Diskussionen halten den FC Augsburg nicht davon ab, am 17. Juli zu einem Testspiel gegen den katarischen Klub Al-Duhail SC anzutreten. "Ein Verein, der derart gegensätzlich zu den Werten unseres FCA steht, stellt keinen geeigneten Gegner da, um sich in Freundschaft zu testen", hieß es in einem Statement des Fan-Bündnisses "Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V.“