Ein Jahr vor der WM hat FIFA-Chef Infantino die fertigen Mega-Stadien in Katar besucht. Damit die umstrittene WM ein Erfolg wird, muss noch viel geschehen. Der Countdown läuft.
Der große Bildschirm mit den rückwärtslaufenden Sekunden ist das erste, was Besucher in Katar sehen. Der riesige WM-Countdown begrüßt die Ankommenden schon am Flughafen. Auch bei der Fahrt durch die Stadt sind die Vorbereitungen unübersehbar: Überall hängen Poster mit dem verschlungenen Logo der Fußball-WM und an der Küstenstraße wehen die Fahnen der Nationen, die sich bereits für die WM qualifiziert haben.
"Bei uns dreht sich seit Jahren alles um die WM. Katar lebt für 2022", schrieb der Journalist Khalid Al-Shafi kürzlich in einem Kommentar in der Tageszeitung Peninsula. Über die massive Kritik an der WM schweigt er. Willkommen in Katar.
Der FIFA-Chef schwärmt
Vergangene Woche hat FIFA-Chef Gianni Infantino das kleine Emirat besucht und die Spielstätten besichtigt. Er lobte das gerade fertiggestellte Lusail Stadion in den höchsten Tönen: "Ich habe auf der ganzen Welt noch nie ein Land gesehen, das so weit im Voraus schon so bereit war. Es ist fantastisch", so wird er von internationalen Medien zitiert.
Ist also alles bereit? Nicht ganz. Bis es losgehen kann, gibt es noch viel zu tun. Es geht darum, die Herzen der Zuschauer zu gewinnen - und das gleich an zwei Fronten.
Menschenrechte und Arbeitsbedingungen
Thema Menschenrechte: Wer an die WM-Stadien denkt, denkt an die Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen auf den Baustellen. Bis in die Fußballwelt hinein gibt es Proteste und den Ruf nach einem Boykott der WM. Die katarische Regierung hat früh reagiert und Schritt für Schritt Reformen eingeleitet.
So wurde das Kafala-System, das ausländische Arbeitnehmer von einheimischen Sponsoren abhängig macht, ohne deren Einverständnis sie die Arbeit nicht wechseln und das Land nicht verlassen dürfen, 2020 abgeschafft. Auch wurden Arbeitsschutzgesetze eingeführt.
Amnesty International lobt und mahnt
Amnesty International lobt die Schritte, mahnt in einem gerade veröffentlichten Bericht jedoch weitere Maßnahmen an. Prompt kündigten die katarische Regierung weitere Schritte an. Ob das reicht? Die dänische Fußball-Nationalmannschaft etwa hat schon jetzt angekündigt, dass sie weiter protestieren wird und beim FC Bayern wird hart über die Fortsetzung des Katar-Sponsoring gestritten. Da muss sich Katar noch etwas einfallen lassen.
Katar ist einer der größten Geldgeber im internationalen Fußball. Dieses Engagement hat politische Gründe. Bei Fans sorgt das für Unmut.
Panarabische Vorfreude dahin
Katar ist kein Fußballland und erst durch viel Training und teure Anwerbungen konnte eine Fußball-Nationalmannschaft aufgebaut werden. Auch deswegen hatte Katar die WM bei der Zusage 2011 zu einer WM für die ganze Region erklärt und Jubel geerntet - endlich eine arabische WM! Inzwischen kann von panarabischer Vorfreude keine Rede mehr sein.
Für die arabische Öffentlichkeit sind es nicht so sehr die Menschenrechte, sondern vielmehr die katarische Politik, die zu Kritik führt.
Während des Arabischen Frühlings hat Katar mit viel Geld die konservative Muslimbruderschaft unterstützt. Es gelang jedoch nicht, sie in Ägypten und anderen Staaten dauerhaft an die Macht zu bringen und Katar manövrierte sich ins Abseits. 2016 verhängten die Golfstaaten ein Embargo, das Katar von Waren- und Luftverkehr abschnitt.
Mit dem Arab-Cup den Ruf aufpollieren?
Inzwischen wurden die politischen Differenzen beigelegt, doch der schlechte Ruf Katars sitzt tief: "Es gibt keinen Skandal, keine Korruption in der Region, in die Katar nicht verwickelt wäre", heißt es in einem der zahlreichen Anti-Katar Tweets in diesen Tagen.
Um die Herzen der arabischen TV-Zuschauer zurückzugewinnen, startet kommende Woche der FIFA Arab Cup. Katar hat diese Mini-WM ins Leben gerufen, um den arabischen Fußball zu feiern.