Fußball-WM: Wie geht es weiter mit Katar?

    Bestandsaufnahme und Ausblick:Was bleibt von der WM?

    von Maik Rosner
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    Das Turnier in Katar biegt mit den Viertelfinals auf die Zielgerade ein, 56 von 64 Spielen sind bereits absolviert worden. Zeit für eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick.

    Manuel Neuer als Fassadenposter im Katar
    Manuel Neuer als Fassadenposter an einem Hochhaus in Katar.
    Quelle: picture alliance / GES/Marvin Ibo Güngör

    Der Saxofonist steht etwas verloren auf der Corniche. Viel ist nicht los an diesem Abend auf Dohas Küstenpromenade. Auf der anderen Seite der Bucht funkeln die Glitzerfassaden der Hochhäuser. In diesem Ambiente spielt der Mann auf seinem Instument. Kaum jemand hört ihm zu. Es ist ein fußballfreier Abend, kurz vor den Viertelfinals der WM. Die melancholische Szenerie lässt schon jetzt die Zeit nach dem Turnier in Katar erahnen, wenn auch die letzten acht der insgesamt 64 Spiele absolviert sind. Die Stadt leert sich bereits.

    Manuel Neuer grüßt noch von einer Fassade

    Von den 32 Nationalteams haben sich 24 verabschiedet. Die deutsche Auswahl war mal wieder besonders früh dran. Geblieben ist nur Manuel Neuer, jedenfalls als Foto. Dieses bedeckt eine komplette Hochhausfassade. Neben dem 36 Jahre alten Torwart steht das Wort "Talent".
    Was also wird bleiben von dieser WM in der Wüste, wenn in gut einer Woche alles vorbei ist? Von der ersten WM in einem arabischen Land, bei der die Stimmung besser war und ist als erwartet. Vor allem geht es sehr friedlich zu. Das liegt wohl auch daran, dass Alkohol diesmal so gut wie keine Rolle spielt. Was mancherorts einen Aufschrei verursacht hatte, hat auch seine Vorzüge. Und sonst?

    Infantinos Versprechen

    FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte schon vorab gesagt, es werde "die beste WM" der Geschichte und "die größte Show auf Erden". Wer den Preis für diese Show gezahlt hat und zahlt, darüber spricht er nicht. Die Zahl der Todesopfer unter den Gastarbeitern bleibt intransparent und schwankt je nach Quelle und Definition zwischen drei und mehr als 15.000 seit der skandalumtosten WM-Vergabe 2010.

    Kosten von mehr als 220 Milliarden US-Dollar

    Was stimmt, was kann man glauben und was nicht? Diese Fragen sind ein stetiger Begleiter bei diesem Turnier. Das gilt auch für die monetären Kosten. Offiziell war von rund 50 Milliarden US-Dollar die Rede, inoffizielle Schätzungen gehen von mehr als vier Mal so hohen Investitionen aus. In jedem Fall ist es die mit Abstand teuerste WM der Geschichte.
    Gebaut wurden die Stadien, die Metro und die sonstige WM-Infrastruktur von Menschen mit schlechter Bezahlung aus Asien und Afrika. Seit August 2020 liegt der offizielle Mindestlohn in Katar bei 1000 Riyal monatlich, das entspricht aktuell rund 261 Euro. Vorher gab es keinen Mindestlohn.

    Für drei von acht Arenen ist die WM vorbei

    Was also wird bleiben von dieser umstrittenen und politisch aufgeladenen WM, deren Debatten auch entlarvend verliefen für jene, die sich moralisch hervortun wollten? Auf jeden Fall bleiben werden die meisten Stadien, die für die Spiele unter massivem Einsatz von Klimaanlagen heruntergekühlt wurden.

    Doku | ZDFzeit
    :Geheimsache Katar

    Eine WM in der Wüste. Im Winter. Aller Kritik zum Trotz: Sportjournalist Jochen Breyer und Autorin Julia Friedrichs gehen der Frage nach, wie Katar dieser Coup gelingen konnte.
    von Julia Friedrichs und Jochen Breyer
    "ZDFzeit: Geheimsache Katar": Blick in ein leeres, hell beleuchtetes Fußballstadion. In der Mitte sind die dunklen Umrisse eines Menschen zu erkennen, der dem Betrachter den Rücken zukehrt
    43:26 min
    Manche der acht Stadien sollen nach dem Turnier zurückgebaut werden. Drei Arenen haben bereits jetzt alle ihre WM-Spiele hinter sich. Darunter das 974-Stadion, in dem 974 Schiffscontainer verbaut wurden.

    Katars Olympia-Pläne

    Es sollte als Symbol für die angeblich nachhaltigste WM der Geschichte dienen. Es werde nach dem Turnier demontiert und anderswo auf der Welt wieder aufgebaut, hieß es. Es hat sich allerdings noch immer kein Abnehmer gefunden. Katar hat derweil schon neue große Pläne. Darunter laut Medienberichten auch jenen, sich nach zwei gescheiterten Versuchen erneut um die Olympischen Spiele zu bewerben. Die Sommerspiele 2036 sollen es sein.

    Kollabierte Läuferinnen bei WM 2019

    Allerdings müssten diese wegen der Hitze wohl mindestens in den Herbst verlegt werden. Als in Doha die Leichtathletik-WM im Herbst 2019 stattfand, gab mehr als ein Drittel der Marathonläuferinnen auf, einige kollabierten sogar. Derartiges ist wegen der Klimaanlagen nun nicht passiert in den architektonisch beeindruckenden Stadien.
    Doch diese sind nur die Fassade oder ein Trugbild, wie vieles bei dieser WM. Das gilt sogar für den Saxofonspieler. Er ist kein Straßenmusiker, sondern wurde engagiert.
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