Nach dem 1:2 gegen Japan und heftiger gegenseitiger Kritik ist der Bundestrainer in der ungewohnten Rolle als Krisenmanager gefordert. Gerade jetzt wäre Teamgeist wichtig.
Noch schmerzhafter als die 1:2-Auftaktniederlage gegen Japan und die massive Kritik der Experten war es wohl, dass sie sich auch gegenseitig im Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Kritik und Vorwürfen überhäuften.
Sogar Hansi Flick hatte sich nach dem ersten Gruppenspiel bei der Fußball-WM in Katar zu einer ungewohnt deutlichen Einzelkritik hinreißen lassen. Er tadelte Niklas Süle öffentlich, weil der Dortmunder das Abseits aufgehoben hatte vor Japans Siegtreffer durch Takuma Asano vom VfL Bochum (83.).
Flick-Kritik an Süle
"Da muss Niklas aufpassen", kritisierte der Bundestrainer, "das sind individuelle Fehler, für die wir büßen mussten." Auch an Ritsu Doans Ausgleich (76.) war der hinten rechts aufgebotene Innenverteidiger Süle beteiligt gewesen, weil er in der Entstehung des Tores den Weg nach innen freigegeben hatte.
Der von Asano nach einem weit geschlagenen Ball überlaufene Innenverteidiger Nico Schlotterbeck musste sich ebenfalls angesprochen fühlen, als Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan über das zweite Gegentor befand:
Viel deutlicher hätte der Elfmeter-Torschütze zur deutschen Führung (33.) seine Kollegenschelte kaum formulieren können. Flick bezeichnete auch Gündogans weitere Kritik, wonach sich gegen Ende viele Kollegen versteckt und den Ball nicht gewollt hätten, als "okay".
Das lag wohl auch daran, dass er die Meinung des Manchester City-Profis teilt. Es sei wichtig, dass man auch unter Druck "den Mut hat, sich anzubieten", sagte der Bundestrainer. Kapitän Manuel Neuer stimmte Gündogan ebenfalls zu. Der Torwart vermisste "ganz einfache Basics, die jeder auf dem Niveau mitbringen muss, wenn er für Deutschland spielt".
Neuer: "Das Bröckeln ist dramatisch"
Er wolle keine Namen nennen, aber man habe gemerkt, manch ein Spieler "fängt an zu wackeln, wir zeigen uns nicht mehr", kritisierte Neuer. Seine Bestandsaufnahme: "Da können uns noch ganz andere Mannschaften anlaufen, die das noch besser können als die Japaner. Dass das hier schon ins Bröckeln gerät, ist natürlich dramatisch."
Flick war am Tag danach auf der Presse-Videokonferenz vor allem darum bemüht, die gegenseitigen Schuldzuweisungen einzubremsen und an den Teamgeist zu appellieren. Er werkelte bereits am Kitt für jene Wagenburg, die es nun wohl braucht, um sich wieder zusammenzuraufen.
Die Fehler in den Schlussphasen beträfen "die ganze Mannschaft, weil es unser gemeinsames Miteinander ist", erinnerte er, "du musst versuchen, deine beste Leistung abzurufen, als Mannschaft, als Team."
Wie 2018 droht das schnelle WM-Aus
Auf den viel beschworenen Teamgeist dürfte es am Sonntag gegen Spanien in der Tat besonders ankommen. Ohne Zusammenhalt droht nicht nur das erneut schnelle WM-Aus in der Gruppenphase wie bei der WM 2018, sondern auch ein sichtbares Auseinanderbrechen auf dem Platz.
Flick weiß um diese Gefahren, und er sieht sich gefordert in der für ihn ungewohnten Rolle des Krisenmanagers. Diese musste er als Cheftrainer beim FC Bayern und bei der Nationalelf noch nie ausfüllen. Nun aber ist es so weit.
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Kritik auch an Flick
Erschwerend hinzu kommt, dass auch Flick in der Kritik steht. Wegen seiner Aufstellung, wegen seiner Wechsel. Zudem vermissten einige Experten von Flick eine Reaktion auf Japans Umstellungen.
Zum Thema Teamgeist kam derweil noch ein Rat des erfahrenen Offensivspielers Thomas Müller. "Es bringt nichts, mit dem Finger aufeinander zu zeigen", sagte er und versprach: "Wir werden uns wieder aufrappeln." Man darf gespannt sein.
- Flick: "Haben keinen Schuss mehr frei"
Am Tag nach der WM-Auftaktniederlage gegen Japan hat sich Fußball-Bundestrainer Hansi Flick der Presse gestellt. Flick machte dabei klar: Gegen Spanien geht es schon um alles.