Fandörfer bei der WM in Katar: Im Schmelztiegel der Kulturen

    Fandörfer bei der WM in Katar:Im Schmelztiegel der Kulturen

    von Frank Hellmann, Doha
    |

    Das Leben in den spartanisch anmutenden Fandörfern von Doha bietet mehr Vielfalt als sich auf den ersten Blick vermuten lässt: Bewohner von drei Kontinenten erzählen.

    Fussball Fan Village in Rawdat Al Jahhaniya nahe Doha, Katar
    Im Fan Village in Rawdat Al Jahhaniya nahe Doha, Katar, treffen sich Fußball-Anhänger aus aller Welt. In dem Container-Dorf sind die Preise für eine Übernachtung im Vergleich zu Hotels noch einigermaßen erschwinglich.
    Quelle: imago

    Die Kulisse wirkt fast kitschig. Der Halbmond steht schon am Himmel, als die Sonne am Horizont verschwindet. An bunten Containern hängen weiße Beleuchtungen, die an die Geschichte von Aladin und die Wunderlampe erinnern. Wer Motive für "Märchen aus 1001 Nacht" sucht, findet sie tatsächlich im sogenannten Fan Village der WM 2022 am Stadtrand von Doha, unweit der Metrostation Free Zone.
    Was freie Zone heißt, war früher freies Land. Oder besser gesagt: Wüste. Wer sich keine teure Unterkunft in Doha leisten kann und will, zieht hier ein. So wie Mohammed Abu aus Saudi-Arabien, ein bestens Englisch sprechender Fan, der nur eine Stunde nach Katar geflogen ist.

    Rund 130 Euro pro Nacht im Container mit zwei Betten

    Der 29-Jährige wollte billig wohnen. 500 Katar-Riyal, umgerechnet rund 130 Euro habe ein Container mit zwei Schlafplätzen für die Nacht gekostet, erklärt er. Oft schießen WM-Gäste aus dem auf Stelzen fahrenden Zug schnell ein Foto. Von Weitem sieht das Areal mit Behausungen in riesigen Reihen eher wie ein Flüchtlingslager als ein Fancamp aus, aber wie bei so vielem bei dieser WM der Widersprüche ist eine nähere Betrachtung lehrreich.
    "Wenn man dort nur schläft", erzählt Abu auf dem Fußweg ins Fandorf, "dann ist es gut." Die Klimaanlage funktioniert. Natürlich auch die Toilette und die Dusche. Dazu ein Tisch. Ein Schrank. Und an jeder Längsseite ein Bett. Fertig ist das mit einer bunten Nummer versehene WM-Zuhause, das über die zentrale Unterkunftsvermittlung unter Fifa-Hoheit vertrieben wird. Angeboten werden verschiedene Ausführungen an verschiedenen Orten. Fandörfer können aus Containern, Zelten oder auch Ein-Zimmer-Apartments bestehen.

    Berliner Fan hat gute Erfahrungen gemacht

    Fußballfans beim FIFA Fan Festival an der Corniche in Doha. Der Boulevard am Persischen Golf ist bis einschließlich des WM-Finales als Fanzone eingerichtet.
    Fußballfans beim Fan Festival an der Corniche in Doha. Der Boulevard ist bis einschließlich des WM-Finales als Fanzone eingerichtet.
    Quelle: imago

    Aus solch einem ist Christian Dahler gerade mit einem Kumpel aus Barwa Barahat Al Janoub, etwas südlich von Doha in Al-Wakra, zurückgekommen. Der 39-Jährige hatte sich das vor Monaten für eine Woche bei der WM so ausgesucht. Seine Prämissen: passender Preis, kurze Wege - und das Gefühl, bei der WM "mittendrin" zu sein. Eingepreist ist bei solch einem Domizil in einen Schmelztiegel der Kulturen einzutauchen. Etwas weniger als 600 Euro für sechs Tage hätten er und sein Kumpel bezahlt. Vom Camp fahren täglich Shuttlebusse zu allen Stadien. Zehn Spiele in fünf Tagen - das geht.
    Sein Blick auf Katar hat sich durch die Vorort-Erfahrung etwas verändert, betont der Berliner. Die persönlichen Eindrücke seien durch nichts zu ersetzen, auch wenn die Kritik an den Rahmenbedingungen der WM natürlich völlig berechtigt ist.

    Ich glaube, wir werden es die nächsten 40 Jahre nicht erleben, dass man als Fan alle WM-Stadien besuchen kann. Das war herausragend.

    Christian Dahler aus Berlin

    Bei der WM 2026 sind die Entfernungen riesig

    In vier Jahren wird das schwer möglich sein. Dann tourt der WM-Tross mit seiner riesigen Begleitung durch drei Länder. Kanada, USA und Mexiko. 16 Spielorte, 48 Mannschaften. Jaime Arcos Marino und Bryan Arcos freuen sich drauf, sie kommen schließlich aus Mexiko, leben in Los Angeles. Der 52-Jährige und sein 29 Jahre alter Sohn haben in Katar erstmals eine WM besucht. In der Nacht, als sich ihre geliebten Mexikaner verabschieden, sitzen sie auf gepackten Koffern auf Klappstühlen vor der Videowand.
    Zurück reisen sie mit Erinnerungen an warmherzige, gastfreundliche Menschen in Katar. Einem Fan aus Ecuador haben sie eine riesige Freude machen können, indem sie ihm ein Trikot ihres Lieblingsvereins Club América aus Mexiko überreichten. 7.000 Dollar hat der WM-Trip verschlungen. Gut angelegtes Geld? Ja, sagen beide. Sie warten auf den Check-Out an einem Platz, an dem alle Ankömmlinge das Ambiente erst ein bisschen auf sich wirken lassen müssen, um damit warm zu werden.
    Anders als für den Bau der Prachtstadien oder Luxushotels mussten für die Container keine Arbeitsmigranten ihr Leben lassen. Sie sind in China gebaut und dann nach Katar verschifft worden. Gerade erst haben die katarischen Herrscher entschieden, dass sie nach der WM nach Kenia gebracht werden. Dort sollen sie Menschen helfen, die bislang unter wirklich erbärmlichen Bedingungen leben.

    Nachrichten | Politik
    :Das ist das Final-Stadion der Katar-WM

    Das größte Stadion der WM steht für die Ambitionen von Gastgeber Katar - und das, was die WM so umstritten macht. Blicken Sie hinter die goldene Fassade.
    Ein 3D-Modell des Lusail-Stadions in Katar - Final-Stadion bei der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft im Emirat.
    Thema