Zur Fußball-WM in Katar könnte eine halbautomatische Abseitstechnologie zum Einsatz kommen. Dahinter steht eine lange Vorbereitung. Ein Deutscher hat den Weg bereitet.
Natürlich hat es sich Gianni Infantino nicht nehmen lassen, nach dem endlich komplettierten Teilnehmerfeld seiner Lieblings-WM alle 32 Teams in einer Mitteilung willkommen zu heißen. Der mit einem Zweitwohnsitz im umstrittenen Ausrichterstaat Katar ausgestattete FIFA-Präsident hatte bereits zuvor verkündet, dass die Fußballfans aus aller Welt im November und Dezember in Doha "die größte Show und die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten" erleben werden.
Infantino: "Sieht vielversprechend aus"
Neben solchen vollmundigen Versprechungen könnte auch eine technische Neuerung in den acht aus dem Wüstensand gestampften Stadien mit ihrer hochmodernen Infrastruktur umgesetzt werden: der Einsatz einer halbautomatischen Abseitstechnologie. So sagte Infantino kürzlich nach der Generalversammlung der Regelhüter des International Football Association Board (IFAB):
Wenn das IFAB seine Zustimmung erteilt, kann die FIFA selbst darüber entscheiden, ob und wann die Technologie zum Einsatz kommt. Die WM wäre die größte Bühne.
Wer dahinter für Katar eine Fata Morgana vermutet, liegt falsch. Und ein gänzlich revolutionärer Plan steckt auch nicht dahinter, sondern eine lange Vorbereitung. Anders als sein Vorgänger und Landsmann Sepp Blatter, der mal mit einer Vergrößerung der Tore für Aufsehen gesorgt hatte und dann alle Reformbestrebungen beim Spiel weit zurückstellte, ist Infantino kein Bremser beim technischen Fortschritt.
Deutscher als Wegbereiter
Involviert ist auch ein Deutscher: Der in der Jugend für den FC Augsburg spielende, später für verschiedene Bundesligisten arbeitende Johannes Holzmüller ist heute Direktor der FIFA-Abteilung für Fußballtechnologie und -innovation. Er erklärte, wie die Technologie funktionieren soll:
Daraufhin könne der Replay-Operateur dem VAR direkt zeigen, ob es Abseits ist.
29 Datenpunkte pro Spieler
Die halbautomatische Abseitstechnologie war bereits beim Arab Cup und der Klub-WM im Februar getestet werden. Dabei werden mehrere Spezialkameras aufgestellt, um Datenpunkte jedes Spielers zu erfassen, die seine Position auf dem Spielfeld ermitteln. 29 Punkte werden an jedem Spieler erfasst, 50 Mal pro Sekunde.
Das überzeugt auch den Schiedsrichterchef Pierluigi Collina, der seine bisherigen Bedenken offenbar aufgegeben hat: "Wir arbeiten daran, wir haben keine Eile. Wir wollen sicher sein, dass es perfekt funktioniert." Das System, aber auch die Abläufe müssen sitzen - und in letzter Instanz entscheidet ein Mensch.
Schnellere Entscheidungsprozesse
Woran dem einst weltbesten Referee, der noch gänzlich ohne Torlinientechnologie oder VAR die ganz großen internationalen Spiele leitete, gelegen ist: dass es zu schnelleren Entscheidungsprozessen kommt.
Oft dauert es quälend lange, bis die kalibrierten Linien gezogen und dann auch noch ein Lot von Schulter, Ellbogen oder Knie gezogen ist, um hauchdünne Abseitsstellungen zu überprüfen. Das könnte eine halbautomatische Abseitstechnologie beschleunigen. Ob sie dann wirklich zur besten WM aller Zeiten beiträgt, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Deniz Aytekin ist ein erfahrener Bundesliga-Schiedsrichter. Hier spricht er darüber, wie er seine Rolle als Unparteiischer sieht und was er sich von den Spielern/Trainern erwartet.