Das kleine Finale Kroatien - Marokko: Zwischen Lust und Last

    Kroatien - Marokko bei WM 2022:Das kleine Finale: Zwischen Lust und Last

    von Frank Hellmann, Doha
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    Lohnt sich bei einer WM das Spiel um Platz drei noch? Die Meinungen gehen vor Partie Kroatien - Marokko (Samstag, 16 Uhr) auseinander.

    Walid Regragui hat sich bei dieser Weltmeisterschaft definitiv einen Namen gemacht. Zum einen führte er Marokko als das erste afrikanische Team bei einem solchen Turnier ins Halbfinale, zum anderen hat der Fußballlehrer bei den Pressekonferenzen nicht nur die üblichen Floskeln aufgesagt. Ein Trainer, der mal Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, denkt halt gerne über den Tellerrand hinaus.

    Trainer Walid Regragui
    :Marokkaner mit französischer Prägung

    Marokkos Nationaltrainer Walid Regragui hat mit seiner Mannschaft alle überrascht. Im WM-Halbfinale gegen Frankreich soll die Reise aber noch nicht zu Ende sein.
    von Frank Hellmann
    Walid Regragui, Trainer von Marokko
    Insofern war es keine große Überraschung, dass der in Frankreich geborene 47-Jährige gar keinen Hehl daraus machte, dem Spiel um den dritten Platz gegen Kroatien (Samstag, 16 Uhr/magenta-TV, ZDF-Liveticker) nur bedingt etwas abgewinnen zu können.

    Marokko: Lieber großes als kleines Finale

    Auf die durchaus berechtigte Frage, ob die Motivation für solch eine Partie nicht schwierig sei, antwortete er am Freitag: "Korrekt. Um ganz ehrlich zu sein: Wir wollten das Finale spielen am Sonntag, nicht das Spiel morgen."
    Dritter Platz - das hat im Fußball immer etwas von einem Trostpreis, den keiner braucht. Anders als bei Olympischen Spielen, wo vor allem eine Medaille zählt, und eine Bronzemedaille sehr oft riesige Freude auslöst.

    Bronze im Fußball ohne Wert

    Diese Plakette in Bronze gibt es auch im Fußball, der aber nicht annähernd diese Wertschätzung für diese Auszeichnung aufbringt. Bei Europameisterschaften wurde das Spiel nach 1980 abgeschafft, in der Champions League gab es das sowieso nie.
    Und bei der WM steht es alle vier Jahre wieder zur Debatte. Zu Recht. Wer sich an den müden Kick 2018 zwischen Belgien und England (2:0) erinnert, der denkt mit Grausen an dieses Spiel zurück. Beide Teams waren noch tief enttäuscht vom Scheitern im Halbfinale:

    Oft müde Kicks im Spiel um Platz 3

    Die zuvor gegen Brasilien erfolgreichen Belgier waren an der französischen Abwehrmauer zerschellt. Die bis dahin bravourösen Engländer hatten sich an der kroatischen Leidenschaft die Zähne ausgebissen. Es kam, was kommen musste: Ein Spiel, ohne Tempo, ohne Esprit.
    Vier Jahre zuvor in Brasilien war es nicht viel anders. Wobei es dem gegen Deutschland mit 1:7 unterlegendem Gastgeber niemand verdenken konnte, dass er sich damals nicht mehr für das Spiel um den dritten Platz aufraffen konnte.
    Brasilien stand unter Schock - und schlussendlich im "kleinen Finale" gegen die Niederlande (0:3) völlig neben den Schuhen.
    Aber jetzt könnte es durch die Konstellation anders sein. Beide Teams, die Nordafrikaner wie die Südosteuropäer, waren Überraschungsmannschaften im Halbfinale.

    Vorfreude bei Kroaten

    Klar, sie hatten vom Endspiel geträumt, aber bei realistischer Betrachtung haben sie mehr erreicht als gedacht. Weshalb Zlatko Dalic, der Trainer der Kroaten, auch durchaus einen Antrieb verspürt. "Es wäre ein Riesending, wenn wir hier Bronze holen", sagte der 56-Jährige, der wiederholt betonte, wie wichtig ein dritter Rang für ein kleines Land wie Kroatien wäre.

    Das Match am Samstag ist für uns ein großes, kein kleines Finale.

    Kroatiens Trainer Zlatko Dalic

    Es sei ja fast so, als würde die Stadtauswahl von Berlin aufs Podium steigen, denn Kroatien hat nur knapp vier Millionen Einwohner.

    Großteil feiert Sieg friedlich
    :Frankreich: Mehrere Krawalle nach Finaleinzug

    Im Anschluss an Sieg der französischen Nationalmannschaft gegen Marokko kam es in mehreren Städten des Landes zu Krawallen. Im Großraum Paris wurden 115 Personen festgenommen.
    Polizisten in Paris im Einsatz im Anschluss an die WM-Niederlage Marokkos gegen Frankreich.
    mit Video
    In Marokko leben rund 37 Millionen Menschen, dazu kommt die große Zahl in Europa, vor allem in den Ballungsräumen. Allein für die große Unterstützung, die es vermutlich auch im Khalifa Stadium geben wird, lohnt es sich, dass die "Löwen vom Atlas" sich noch einmal aufraffen.
    Und so hat auch Coach Regragui irgendwann versichert, dass man "eine Medaille nach Hause" bringen möchten. Dafür wird er aber einige Spieler einsetzen, die bisher noch nicht so viel zum Zuge gekommen sind. Ganz so wichtig ist es eben nicht, dieses Spiel um den dritten Platz.
    Joachim Löw und die Deutsche Nationalmannschaft am Joachim Löw
    Es geht auch so, Platz drei wird gefeiert: Die DFB-Elf bei der WM 2010.
    Quelle: Imago



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