Wie in der vergangenen Saison geht der Hamburger SV als ungeschlagener Tabellenführer ins Zweitliga-Derby gegen den FC St. Pauli (Freitag, 18.30 Uhr). Damals verlor der HSV.
Wenn beim Hamburger SV zuletzt von Rekorden die Rede war, ging es entweder um Schulden oder den Verschleiß an Trainern und Sportdirektoren. Am Freitag im Stadtderby gegen den FC St. Pauli kann der Klub eine Bestmarke aufstellen, die positive Schlagzeilen macht: Mit dem sechsten Saisonsieg in Folge hätte der HSV den besten Zweitliga-Start seit Bestehen dieses Wettbewerbs hingelegt.
HSV scheint in der Realität angekommen
"Wir können nichts wiedergutmachen, was in der Vergangenheit liegt. Aber wir können Freitag eine neue Geschichte schreiben", sagte HSV-Trainer Daniel Thioune. Er bezog sich damit zwar auf die beiden Derby-Niederlagen gegen St. Pauli in der Vorsaison - die Aussage kann aber auf den generellen Wandel beim HSV umgemünzt werden.
Gut zehn Jahre nach dem letzten Auftritt in einem europäischen Wettbewerb läuft der HSV seiner Geschichte nicht mehr hinterher, sondern scheint in der Realität angekommen zu sein. Die heißt zum dritten Mal in Folge Zweite Liga und kann nicht mehr als bedauerlicher Betriebsunfall abgetan werden.
Im Fußball-Unterhaus interessiert es niemanden, dass der Hamburger SV ja "eigentlich ganz woanders hingehört", wie man es allzu oft am Volkspark gehört hat.
HSV-Trainer Thioune steht für den neuen Weg
Der alte Weg, sich durch teure Verpflichtungen von Spielern oder Trainern den Weg in die Beletage ebnen zu wollen, funktioniert schon aus finanziellen Gründen nicht mehr. Mit der Rückwärtsgewandtheit scheint auch die Zeit der Machtkämpfe und Alleingänge vorbei zu sein.
Die Skepsis, mit der der 46-jährige Fußballlehrer auf seiner zweiten Trainerstation nach dem VfL Osnabrück im HSV-Umfeld empfangen wurden, ist weitgehend verflogen.
Der Chefcoach lebt die teambezogene, lösungsorientierte Mentalität mit seiner authentischen Art jeden Tag vor. "Er feiert sich nicht für die Siege, sondern ist sofort wieder bei der nächsten Aufgabe", sagt Sportdirektor Michael Mutzel.
Hrubesch entfacht neues Feuer
Nicht im Rampenlicht steht Nachwuchschef Horst Hrubesch, der aber bei den Fans und im internen Gefüge eine wichtige Rolle spielt. Überall, wo Hrubesch während seiner Trainerlaufbahn auftauchte, bei der U23- oder der Frauen-Nationalmannschaft, hat er Bodenständigkeit mit Erfolg verbunden.
Auch im Leistungszentrum des Vereins hat er mit dieser Formel neues Feuer entfacht. Lange Zeit hatte sich die HSV-Legende gesträubt, an den Volkspark zurückzukehren. Und auch jetzt macht er deutlich: "Ich stehe so lange zur Verfügung, wie wir in diesem Team mit einer Zielsetzung und Fleiß vorangehen und ich auch Spaß daran habe."
Der HSV - nach wie vor ein fragiles Gebilde
Geformt wurde dieses Team von Sportvorstand Jonas Boldt, der sich im letztjährigen Machtkampf gegen den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann durchgesetzt hat. Um dem angeblich vom AS Rom umworbenen Manager eine Verlängerung des Ende der Saison auslaufendenden Vertrages schmackhaft zu machen, soll der Aufsichtsrat um Ex-Spieler Marcell Jansen laut Presseberichten erwägen, ihm den vakanten Posten des Vorstandsvorsitzenden anzubieten.
Die sich hinziehende Personalie zeigt, dass das neue HSV-Gebilde noch zerbrechlich ist. Bleiben wird auf jeden Fall die Erfahrung, wie gut es tun kann, die Realität anzuerkennen.
Jennifer Kettemann, Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen, und Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, sprechen über das Thema Fan-Rückkehr in Stadien und Hallen.