Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn spielt bislang ein ganz starkes EM-Turnier. Vor dem Viertelfinale gegen Österreich knackt die 23-Jährige eine weitere Bestmarke.
Wer hat denn eigentlich behauptet, dass nur die Fußballerinnen aus Österreich die Kabine in eine Diskothek verwandeln, in der gelacht und getanzt wird - und in der aus einer großen Musikbox die gängigen Partyhits ertönen? Vor dem Viertelfinale gegen die "Feierbiester" vom ÖFB-Team (Donnerstag 21 Uhr/Liveticker) haben die deutschen Frauen nachgezogen.
In einem Social-Media-Clip tanzten die DFB-Frauen zum Rednex-Klassiker "Cotton Eye Joe" durch die Umkleidekabine. Mit dabei auch Giulia Gwinn, obwohl sie einen Verband um den Oberschenkel trug - die Folge eines "Pferdekusses", von dem Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem Gruppenspiel gegen Finnland (3:0) berichtete. Doch es kam sogleich Entwarnung: Ihre Auswechslung gegen die spätere Torschützin Nicole Anyomi war ohnehin abgesprochen.
Einsatz gegen Österreich nicht gefährdet
Der Einsatz der 23-Jährigen im K.o.-Duell gegen Österreich und für die bislang wichtigste EM-Aufgabe ist also nicht gefährdet. Um endlich das erste Mal nach Olympia 2016 wieder das Halbfinale eines großen Turniers zu erreichen, braucht es eine tatkräftige Rechtsverteidigerin wie Gwinn, die sich bei diesem Turnier als echte EM-Stütze etabliert hat.
Stabil in den Zweikämpfen, stellungssicher in der Defensive, kreativ in der Offensive: Die 30-fache Nationalspielerin untermauert auf englischem Rasen eindrucksvoll, warum sie 2019 zur besten Nachwuchsspielerin der WM 2019 in Frankreich gewählt wurde.
Gegen Dänemark (4:0) lief Gwinn mit 11,5 Kilometern am meisten, gegen Spanien (2:0) wurde sie über die DFB-Homepage von den Fans zur "Spielerin des Spiels" gekürt, gegen Finnland servierte sie die Maßflanke zum Führungstor von Sophia Kleinherne. Wenn sie weiter so auftrumpft, wird sie am Ende in der von der UEFA-Expertenkommission gekürten Top-Elf der EM auftauchen. "Schwarz, Rot, Gwinn", heißt es bereits beim Boulevard.
Popularität auch auf Social Media
Gwinns Popularität wächst in diesen Tagen rasant: Die Social-Media-Königin der DFB-Auswahl hat nun mehr als 300.000 Follower bei Instagram. Vor EM-Start lag sie bei rund 255.000 Abonnenten. "Ihr seid unglaublich", schrieb sie dazu an ihre Fans. Zum Vergleich: Der offizielle Account der DFB-Frauen hat etwa 163.000 Abonnenten. Gwinn sagt jedes Mal: "Das ist schön, dass ich eine solche Reichweite habe, bleibt aber eine Nebensache."
Ihr Berater nimmt längst nicht mehr alle Angebote an. Dass das Vermarktungspotenzial der bereits für Sportartikel, Sportlernahrung, Getränke, Kosmetik und Klamotten werbenden Sympathieträgerin noch nicht ausgeschöpft ist, versteht sich von selbst, wobei Gwinn klare Grenzen zieht. Sie allein auf ihr Äußeres zu reduzieren, kommt nicht infrage.
Widerstand der Mutter in jungen Jahren
Es mutet fast kurios an, dass sich diese bodenständige Sportlerin vom Bodensee einst als junges Mädchen noch gegen familiäre Widerstände behaupten musste, um überhaupt bei ihrem Heimatverein TSG Ailingen mit dem Fußball anfangen zu können. Sie kickte zwar ständig mit ihren Brüdern auf dem Bolzplatz, doch speziell ihre Mutter Gabi fand den Sport zuerst nicht so toll, wie Vater Florian mal verriet.
Heute platzen die Eltern fast vor Stolz über ihre Tochter. Zum EM-Auftakt vor knapp zwei Wochen kamen beide mit Deutschland-Perücken ins Stadion von Brentford. Angereist übrigens mit dem Campingwagen.
Als Gwinn im Spiel gegen Finnland zweimal liegen blieb, schaute die Bundestrainerin angespannt auf den Rasen. Nichts käme unpassender als ein Ausfall jener Leistungsträgerin, die nach einem im September 2020 bei einem EM-Qualifikationsspiel gegen Irland erlittenen Kreuzbandriss lange fehlte. Aber dieser Rückschlag hat ihr rückblickend erst jene Reife und jenes Selbstvertrauen gegeben, das bislang bei jedem EM-Spiel in England ein Trumpf fürs DFB-Team war.