Für die Testspiele gegen Portugal nominierte Handball-Bundestrainer Alfred Gislason sechs Neulinge. Damit entfacht er einen Konkurrenzkampf für die EM 2022.
Sage und schreibe sechs Neulinge stehen in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB), die am Freitag zunächst in Luxemburg gegen Portugal spielt. Am Sonntag dann bildet die Partie in Düsseldorf den Höhepunkt beim "Tag des Handballs" - ab 15 Uhr im sportstudio.de-Livestream.
Gislason setzt auf Greenhorns
Die Zweite Bundesliga ist an sich nicht das Revier eines Handball-Bundestrainers. Dennoch tauchte Alfred Gislason beim Spitzenspiel VfL Gummersbach gegen TuSEM Essen auf. Manch einer spekulierte über einen Privatbesuch, denn der Isländer hatte den VfL einige Jahre trainiert. Zwei Tage später jedoch stellte sich heraus: Der 62-jährige Isländer war tatsächlich aus beruflichen Gründen gekommen.
Denn im Kader für die Testspiele gegen Portugal am Wochenende tauchte überraschend das Gummersbacher Rückraumtalent Julian Köster auf. Und der 21-jährige Halblinke, der in Dormagen ausgebildet worden war, ist nicht der einzige Debütant und Zweitligaprofi im Kader.
Auch Hendrik Wagner verdient sein Geld im Handball-Unterhaus, aber der Halblinke hat mit den Eulen Ludwigshafen immerhin schon zwei Jahre Erfahrungen in der höchsten Klasse gesammelt. Auch der 24-Jährige war vom Bundestrainer Mitte Oktober für einen Kurz-Lehrgang nach Hennef einberufen worden. Damals sagte Wagner:
Nun wird er tatsächlich Nationalspieler. Genauso wie Köster, Torwart Joel Birlehm (SC DHfK Leipzig), Linksaußen Lukas Mertens (SC Magdeburg) und Rechtsaußen Lukas Zerbe (TBV Lemgo), ein Neffe des großen Volker Zerbe, der bis 2004 zur "Goldenen Generation" gezählt hatte. Und weil sich Fabian Wiede verletzte, nominierte Gislason mit dem Rückraum-Linkshänder Djibril M’Bengue (FC Porto) einen sechsten Neuling nach.
Es wird also, da Kreisläufer-Routinier Patrick Wiencek (THW Kiel) aus familiären Gründen absagte, ein Team der Greenhorns auflaufen. Eine solch unerfahrene deutsche Mannschaft gab es seit Jahrzehnten nicht mehr.
Kreisläufer Jannik Kohlbacher (Löwen) hat mit nur 79 Einsätzen die meisten Länderspiele, es folgen Philipp Weber (Magdeburg/51 Einsätze) und Mittelmann Simon Ernst (Leipzig/39), der nach langer Abwesenheit zurückkehrt.
Radikaler Umbruch nach Olympia-Schmach
Auch wenn neben Wiencek und Wiede auch Paul Drux verletzungsbedingt fehlt, leitet Bundestrainer Gislason damit nach dem schmählichen K.o. im olympischen Viertelfinale gegen Ägypten einen radikalen Umbruch ein. Jedenfalls machte der Isländer deutlich, dass all diese Profis eine echte Chance haben, auch zum Auftakt der EURO am 14. Januar gegen Weißrussland aufzulaufen.
"Vielleicht überrascht dieses Aufgebot Außenstehende - für uns ist die Nominierung nur konsequent."
"Wir möchten mehr in die Breite kommen, neue Konkurrenz schaffen und in der Auswahl flexibler werden. Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit dieser Mannschaft."
Der SC Magdeburg ist in der Handball-Bundesliga im Moment das Maß aller Dinge. Mit neun Siegen in neun Spielen ist der SCM Tabellenführer.
Tür bleibt offen für Wolff und Co.
Andererseits ist damit für Torhüter Andreas Wolff, Tobias Reichmann, Kai Häfner oder Julius Kühn, die 2016 tragende Rollen beim EM-Titel hatten und nun sämtlich fehlen, nicht das Ende der DHB-Karriere besiegelt. Dies machte Gislason in Gesprächen mit den Betroffenen klar, und dies betont auch der DHB-Vorstand Sport, Axel Kromer: "Alle Türen werden weiter in beide Richtungen geöffnet sein."
Man wird sehen, wen dieses neue Team in den verbleibenden Wochen bis Jahresende mehr beflügelt, die Aussortierten oder die Neulinge. Die beiden Tests gegen Portugal sind so oder so eine echte Zäsur. Und die Kaderpolitik Gislason dürfte insbesondere die Talente des deutschen Handballs stark motivieren.
"Tag des Handballs" am Sonntag
Am "Tag des Handballs" feiern viele Vereine am Sonntag in ganz Deutschland Handballfeste. Der Leuchtturm ist die Veranstaltung des DHB in Düsseldorf mit insgesamt drei Länderspielen. Den Auftakt macht die männliche U-20-Auswahl gegen Ungarn (12.30 Uhr), darauf folgen die deutschen Männer gegen Portugal (15 Uhr). Den Abschluss bildet das Frauen-Länderspiel gegen den Olympiazweiten Russland (17.30 Uhr).