Die EM droht zur sportlichen Farce zu werden. Die zahlreichen Corona-Fälle im DHB-Team sind Beweis dafür, dass das Hygienekonzept des Turniers gescheitert ist.
"Hast du Scheiße am Schuh, hast du Scheiße am Schuh": Die sprichwörtlich gewordene Alltagsweisheit des bekannten Fußball-Philosophen Andreas Brehme erfährt bei den deutschen Handballern in Bratislava gerade eine unliebsame Aktualisierung: Hast du Corona im Team, hast du Corona im Team.
War Kühn wirklich der erste?
17 Spieler hatte Alfred Gislason ursprünglich nominiert. Elf davon, und einer der Nachnominierten, sind inzwischen infiziert. Julius Kühn war der erste, der positiv getestet wurde, am Tag nach dem ersten Spiel. War er der erste Infizierte?
- DHB-Spiel gegen Spanien findet statt
Das EM-Spiel der deutschen Handballer gegen Spanien findet wie geplant statt. Ein Blitzcomeback feiert der positiv getestete Christoph Steinert.
Die Vermutung liegt nahe, dass hier der Ursprung des Problems liegt. Wie schnell, so die Frage, wurde der Erstinfizierte - wer auch immer es war, der das Virus ins Team gebracht hat - isoliert? Wie viele Kontakte mit seinen Teamkollegen hatte er noch?
Zu viele Stunden zwischen den Tests
Zu viele offensichtlich, weil zu viele Stunden dazwischen lagen. Zwischen Test und übermitteltem Ergebnis. Dies vermutet auch der Sport-Vorstand des DHB, Axel Kromer, wenn man fragt, warum es ausgerechnet die deutschen Handballer so beutelt.
Axel Kromer, Sportvorstand des DHB, über die Situation bei der Handball-EM in Bratislava.
Mit fast täglich neuen, positiven Tests. Ausgerechnet jene, die glaubten, sie hätten alles getan, um genau das, was jetzt über sie hereingebrochen ist, zu verhindern.
Test-Rhythmus wird sinnvoller gestaltet
Der Veranstalter versprach inzwischen, den bisherigen Test-Rhythmus sinnvoller zu gestalten. Eine Erkenntnis, die zu spät kommt, viel zu spät bei einer so freudig um sich greifenden Virusvariante wie Omikron.
Zwischen morgendlichem Test und einem Ergebnis im Laufe des Nachmittags liegen Stunden, liegt ein am Anfang noch gemeinsames Mittagessen der Mannschaft, ein gemeinsames Training obendrein - ist das Virus im Team, ist das Virus im Team.
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Konzept erweist sich als nicht zeitgemäß
Die EHF wollte mit dieser EM nicht in eine Blase gehen, wollte keine leeren Hallen, wollte die Mannschaften nicht isolieren. Im Gegensatz zur WM vor einem Jahr in Ägypten. Damals, so der Ansatz, war keiner geboostert, war 3G ein Kürzel für die Empfangsqualität unserer Handys.
Ein 2G-Turnier, das nur Geimpfte und Genesene zulässt, ergänzt mit PCR-Tests, verpflichtend alle zwei Tage, sollte es werden. Ein zeitgemäßes Konzept, dachte man, unserem Wissen über das Virus angemessen.
Schließlich geht es in allen Bereichen der Gesellschaft darum, zu lernen, mit dem Virus zu leben. In Kinos, Theatern ebenso wie bei sportlichen Großveranstaltungen. Die deutsche Mannschaft führt sinnbildlich vor, dass dieses Konzept gescheitert ist bei dieser EM.
EM-Reise ist eine Reise ins Risiko
Betroffen sind fast alle Mannschaften, nur Spanien und Norwegen sind, laut EHF, bislang ohne Ausfälle. Ihre Spiele gegen Deutschland werden zu Hochrisiko-Spielen für beide.
Mit den am Donnerstag angereisten drei Spielern hat der DHB bislang elf Nachrücker nach Bratislava geholt. Es spricht für den deutschen Handball, dass er das kann. Doch wer anreist, reist ins Risiko. Freiwillig. Es ist eine Reise in einen Corona-Hotspot namens Handball-EM.
Aus der Bundesliga kommt der Gedanke, Deutschland könne sich von dieser EM zurückziehen. Die gesundheitlichen Risiken für die Spieler seien zu hoch. Zu viele infizierte Spieler gefährdeten zudem die Bundesliga und ihre Vereine.
DHB lässt potenziellen EM-Rückzug prüfen
Der DHB hat sich dagegen entschieden, vorerst. Lässt die Konditionen eines Rückzugs aber schon mal prüfen. Diese zweieinhalb Wochen im Januar sind die Gelegenheit, sich zu zeigen. Als Sportart.
- Handball-EM 2022
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Die EHF beharrt darauf, das Turnier durchzuziehen. Sponsorenverträge, Fernseheinnahmen hängen davon ab. Für die Europäische Handball-Föderation. Und für die nationalen Verbände.
Die Spieler, die hier sind, egal, ob von Anfang an oder nachgereist, wollen diese EM spielen, bis zum Ende. Ihre Leidenschaft ist ansteckend. Wie das Virus. Völlig offen, wer sich am Ende durchsetzt.