Schweden ist am Freitag erster deutscher Gegner bei der Olympia-Qualifikation der Handballer in Berlin. Der Vize-Weltmeister vertraut auf seinen Spielmacher Jim Gottfridsson.
Für das nötige Feuer hat schon der Gastgeber gesorgt. Dass DHB-Vizepräsident Bob Hanning nach der verkorksten WM in Ägypten öffentlich am Ziel Olympiasieg festhielt, wird den drei Gegnern bei der kommenden Olympia-Qualifikation nicht entgangen sein. "Es gibt doch für den Gegner keine bessere Motivation als zu sagen, jetzt spielen wir gegen den mutmaßlich späteren Olympiasieger", kommentierte Ligapräsident Uwe Schwenker.
Deutschlands Handballer wirklich favorisiert?
Womöglich bezieht sich das bewusste Understatement der Schweden, die am Freitag (15:15 Uhr live in der ARD) erster deutscher Gegner in der Berliner Max-Schmeling-Halle sind, auch auf diese Großspurigkeit. "Deutschland ist großer Favorit", sagt der schwedische Nationalkeeper Andreas Palicka (Rhein Neckar-Löwen). "Ich glaube, dass Deutschland als Favorit in die Qualifikation geht", meint auch Jim Gottfridsson (SG Flensburg-Handewitt).
Diese Zurückhaltung ist einerseits clever, weil es den Druck auf das Team von Bundestrainer Alfred Gislason noch erhöht. Andererseits ist eigentlich Schweden klarer Favorit auf eines der beiden Olympiatickets. Schließlich ist das Team von Trainer Glenn Solberg nicht nur mit zahlreichen Bundesliga-Profis gespickt. Es spielte zudem bei der jüngsten WM groß auf und wurde erst im Finale vom Erzrivalen aus Dänemark gestoppt – obwohl das Corona-geplagte Team vorher in Quarantäne musste und nur zwei Trainingseinheiten zur Verfügung hatte.
Gottfridson die zentrale Figur
Bei den Skandinaviern hängt freilich alles ab von Gottfridsson. Der 28-jährige Regisseur, der das Flensburger Trikot seit 2013 trägt, zählt zu den abgekochtesten Vertretern der Zunft. Er ist nicht nur die größte Autorität des Teams, er liest das Spiel auch wie kein anderer und ist außerdem noch äußerst torgefährlich. Wie groß sein Einfluss auf das Team ist, belegen die Auszeiten der Schweden. Dort macht Gottfridsson die Ansagen für die Offensive, während der seit einem Jahr amtierende Cheftrainer Glenn Solberg schweigt.
Die größte Stärke des schwedischen Spiels kann freilich auch in eine Schwäche umschlagen. Als die Dänen im WM-Finale Gottfridsson in Manndeckung nahmen, lahmte die schwedische Offensive – anders als die Flügelzange Hampus Wanne (Flensburg) und Niclas Ekberg (Kiel) repräsentieren die schwedischen Halbpositionen keineswegs Weltklasse. Insofern liegt der Fokus auf dem Duell zwischen Gottfridsson und Hendrik Pekeler (THW Kiel), der in Gislasons 3:2:1-System als vorgezogene Spitze operiert.
Spielplan ein Vorteil für die Schweden
Kernstück des schwedischen Spiels ist allerdings das sehr bewegliche 6:0-Abwehrsystem, in dem für gewöhnlich Frederik Pettersson und Max Darj (Bergischer HC) das Zentrum bilden – nach Ballgewinnen werden die schnellen Flügelspieler mit weiten Pässen auf Tempogegenstöße geschickt. Noch allerdings ist unklar, ob Darj in Berlin mitwirken kann. Beim schwedischen 27:24-Sieg in der EM-Qualifikation am Dienstag gegen Montenegro fehlte der Kreisläufer aus privaten Gründen.
Einen großen Vorteil bietet den Schweden auf jeden Fall der Spielplan der Qualifikation. Denn während Deutschland am Samstag gegen den dritten Mitfavoriten Slowenien (im ZDF-Livestream) antreten muss, dürften die Skandinavier gegen Algerien zwei sichere Punkte einfahren. So weiß das Solberg-Team vor dem abschließenden Spieltag, wie es gegen die von Ljubomir Vranjes gecoachten Slowenen zu spielen hat. Für die Deutschen geht es am Sonntag gegen Algerien (im ZDF-Livestream).
Möglicherweise mündet die Entscheidung in einen Dreier-Vergleich, bei dem es auf die Tore ankommt. Nicht unwahrscheinlich, dass die Olympia-Qualifikation am Sonntag mit einem sportlichen Drama endet, wie so oft im modernen Handball.