Nach Zwangsabstinenz vom Trainingsplatz muss Hertha im Abstiegskampf einen Kaltstart hinlegen, Mammutprogramm inklusive. Die richtige Dosierung fürs Team ist die Herausforderung.
In der zweiwöchigen Corona-Quarantäne hatte Pal Dardai viel Zeit, und die hat der Cheftrainer von Hertha BSC gut genutzt. Vor allem auch zur Einstimmung auf das, was danach kommt: Die geplante Aufholjagd im Abstiegskampf für den Tabellen-Siebzehnten. Nach der Rückkehr auf den Trainingsplatz blieben dem Hauptstadtklub nur drei Tage Vorbereitungszeit für das Spiel am Montag in Mainz.
Motivationsprobleme beim Cybertraining
Die enorme Laufleistung, die guten Zweikampfwerte und das entschlossene Pressing der Rheinhessen kennt Hertha-Coach Dardai nun ganz genau - und er weiß: "Mainz ist kein Kandidat dafür, in der Tabelle richtig tief zu stehen." Der neue Trainer Bo Svensson habe es geschafft, alle Profis der 05er ans Laufen zu bekommen und sie zu motivieren. So klappte es zuletzt auch mit einem Sieg gegen Bayern München.
Die Auslauf- und Motivationsmöglichkeiten für Herthas Rasenpersonal waren in den letzten zwei Wochen naturgemäß sehr begrenzt, Abwehrchef Niklas Stark etwa musste für die längeren Läufe die Möbel in seiner Wohnung verrücken. Und auch mit der Motivation für das anstrengende Cybertraining, geleitet von Athletik-Coach Henrik Kuchno, sei es teilweise schwierig gewesen, berichtete Stark.
Die Rückkehr des Fun-Faktors
Am Freitag dürfen die Berliner erstmals wieder auf den Platz, und für den dreitägigen Wiedereinstieg bis zur Partie in Mainz hat der Sportwissenschaftler Daniel Memmert klare Ratschläge. "Ich würde – mit einer dosierten Belastung - so viel wie möglich am Ball, möglichst viele Spielformen und taktische Sachen machen", empfiehlt der 49-Jährige im Gespräch mit ZDFheute. Denn:
Der Spaß vergangen war Herthas Kickern, denen der Klub als Fitnesshilfe auch Fahrräder und Laufbänder nach Hause lieferte, zum Beispiel beim Einstieg in das Cybertraining. "Wir haben vielleicht einen Tick zu hart angefangen", erzählt Pal Dardai. "Da war von Muskelkater bis Muskelschmerzen alles Mögliche dabei."
Sechs Spiele in knapp drei Wochen
Über die Probleme habe man offen gesprochen. Anschließend wurde laut Chefcoach nur noch ein Mal am Tag – und dafür etwas länger – trainiert, zudem fanden fußballspezifische Übungen nun stärkere Berücksichtigung. Schließlich bekommen die Hauptstädter jetzt in knapp drei Wochen im Abstiegskampf sechs Gegner serviert, die in der zweiten Aprilhälfte alle normal trainieren konnten.
Dass Dardai ("Es ist viel besser, von hinten nach vorn zu schwimmen") die nach der Quarantäne erwartungsgemäß missliche Lage im Liga-Tableau positiv interpretiert, hält Daniel Memmert definitiv für eine gute Strategie. Der Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln betont aber auch: "Fairerweise muss man sagen, dass es in beide Richtungen geht."
Die zwei Seiten des Wissens
Denn die Ergebnisse der Konkurrenten zu kennen, sei einerseits ein Vorteil. Andererseits baue das genaue Wissen darüber, wie hoch die Latte, die nicht gerissen werden darf, liegt, zusätzlichen Druck auf. Fest steht: Hertha BSC ist im Saisonfinale in einer exponierten Lage - und die gehen die Beteiligten entsprechend an.
Innenverteidiger Niklas Stark sagt:
Der 26-Jährige holte mit der deutschen U19 und U21 EM-Titel - und nennt Sami Khedira, den Weltmeister von 2014, mit seinen einschlägigen Erfahrungen einen "sehr wichtigen Bestandteil" des Projekts Klassenerhalt.
Ungewohnter Drei-Tage-Rhythmus für Hertha BSC
Wissenschaftler Memmert beurteilt die Lage der Berliner in diesem Punkt eher kritisch. "Diesen Drei-Tage-Rhythmus muss man schon auch lernen, und das sehe ich für Hertha BSC tatsächlich als Problem an", sagt der gebürtige Franke - und fügt hinzu: "Berlin hat das in den letzten Jahren nie oder nur sehr selten gehabt. Das sollten sie sich nicht zu schön malen."
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