Jaroslawa Mahutschich reiste drei Tage aus der Ukraine nach Belgrad - und wurde Weltmeisterin im Hochsprung. "Ich habe gezeigt, dass die Ukrainer niemals aufgeben", sagt sie.
Hochsprung-Weltmeisterin Jaroslawa Mahutschich aus der Ukraine schildert im sportstudio ihre Anreise zur WM durch das Kriegsgebiet und erklärt, was ihr der Titel bedeutet.
Als Jaroslawa Mahutschich am 19. März mit 2,02 Meter die Goldmedaille im Hochsprung der Hallen-WM in Belgrad gewann, sorgte sie für einen der emotionalsten Momente in der Leitathletik-Geschichte. Auf ihrer Ehrenrunde, eingehüllt in die ukrainischen Landesflagge, wurde sie mit Sympathiekundgebungen des gesamten Publikums überschüttet.
Schlaflose Reise
Das hatte weniger mit der sportlichen Leistung an sich zu tun, sondern mit den Umständen, unter denen sie erzielt wurde. Dem Wettkampf der 20-jährigen Ukrainerin war eine dreitägige strapaziöse Reise vom 400 Kilometer südöstlich von Kiew gelegenen Dnipro bis nach Belgrad vorausgegangen -2.000 Kilometer ohne Schlaf, begleitet von ihrem Freund, ihrer Trainerin und einem Fahrer.
Angetrieben wurde sie von dem Gedanken, "dass wir unser Land in internationalen Wettkämpfen verteidigen sollen", wie Mahutschich am Samstag im aktuellen sportstudio im Gespräch mit Katrin Müller-Hohenstein sagte. Eine Äußerung, die zeigt, dass Sport selten so politisch war wie im Augenblick, in dem der Krieg in der Ukraine das Leben in Europa beherrscht.
Jaroslawa Mahutschich ist gerade mal 20 Jahre alt, aber schon Hochsprung-Weltmeisterin und bekanntes Gesicht in ihrem Heimatland, der Ukraine. Am Samstag ist sie im Sportstudio.
Vom Einschlag der Bomben geweckt
Ein Star und eine Werbeikone war die Ausnahmesportlerin in ihrer Heimat auch schon vor ihrem WM-Sieg - spätestens, seit sie bei der Weltmeisterschaft in Doha 2019 als 18-Jährige mit 2,06 Metern die Silbermedaille gewann. Vorausgegangen waren diverse große Titel im Jugendbereich, wie die Goldmedaille 2018 bei den olympischen Jugendspielen. Dabei hatte sie ihre sportliche Laufbahn einst als Hürdenläuferin begonnen, bevor ihre Trainerin Tatjana Stepanowa, die sie als "Zweite Mutter" bezeichnet, sie zur Hochspringerin umschulte.
"Ich bin aufgewacht, als ich den Einschlag von zwei Bomben hörte", erinnert Mahutschich sich im aktuellen sportstudio an den 24. Februar 2022. "Wir verstanden, dass der Krieg ausgebrochen ist und sind mit meiner Trainerin aus der Stadt rausgefahren."
Zunächst ging es in ein kleines Dorf, wo sie ein paar Tag in einem Keller verbrachten. Doch dann folgte der Entschluss, die "wahrscheinlich schwierigste Reise meines Lebens" auf sich zu nehmen, um in Belgrad zu starten. Vater und Oma, mit denen sie ständig in Kontakt ist, blieben in Dnipro.
Die Muskeln erinnern sich
"Ich konnte nicht an Training denken und auch beim Wettkampf selbst war es psychisch schwer, weil ich mit den ganzen Gedanken in der Ukraine war", sagt sie. Wenn sie den dritten Versuch bei 2,00 Meter gerissen hätte und ausgeschieden wäre, hätte sich wohl niemand gewundert.
Doch der Wunsch es zu schaffen, war stärker. "Und meine Muskeln konnten sich daran erinnern, dass ich früher mal gut gesprungen bin", sagt sie. Die 2,02 Meter schaffte sie dann im ersten Versuch und war Weltmeisterin.
Von Belgrad nach Deutschland
In Belgrad fehlte aufgrund der Sanktionen die russische Goldmedaillen-Gewinnerin von Tokio, Marija Lasizkene. Nach den Olympischen Spielen, wo sie Bronze gewann, war Mahutschich in ihrer Heimat kritisiert worden, weil sie Lasizkene umarmt hatte. "Früher habe ich gesagt, dass mein Sprung ihrem Sprung etwas ähnelte, jetzt versuche ich, mich ohne Vorbild zu vervollkommnen", antwortete sie auf die Frage nach dem jetzigen Verhältnis zu der Russin.
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Von Belgrad ist Mahutschich zu ihrem Sponsor nach Herzogenaurach gebracht worden, wo sie in Sicherheit wohnen und trainieren kann. Ihr nächstes großes sportliches Ziel ist das Meeting im Juni in Paris, wo sie den Weltrekord von 2,09 Meter in Angriff nehmen möchte.
Ihre augenblickliche Bestleistung beträgt 2,06 Meter. Das wichtigste Ziel bleibt jedoch die Rückkehr in die Ukraine. "Ich hoffe, ich komme bald zu meinen Eltern zurück."
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