Urologin Hubatsch: Hodenkrebs im Profisport "rein zufällig"
Interview
Urologin Hubatsch:Hodenkrebs im Profisport "rein zufällig"
30.09.2022 | 09:10
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Nach Hodenkrebs zurück in den Profifußball - sportstudio-Gast Timo Baumgartl hat es geschafft. Die Urologin Dr. Mandy Hubatsch erklärt die Eigenarten der Krankheit.
Am Samstag Gast im aktuellen sportstudio: Timo Baumgartl (1. FC Union Berlin) - hier bei seinem Comeback-Spiel gegen den VfL Wolfsburg.
Quelle: IMAGO / USA TODAY Network
Timo Baumgartl ist auf dem Platz zurück. Beim 2:0 seines Klubs Union Berlin gegen Wolfsburg feierte der 26-Jährige sein Comeback. Ein halbes Jahr vorher hätte er davon kaum zu träumen gewagt. Der Verteidiger des Überraschungs-Spitzenreiters der Fußball-Bundesliga ist neben Marco Richter und Jean-Paul Boetius (beide Hertha BSC) sowie Sebastien Haller (Borussia Dortmund) einer von vier Profis, die in letzter Zeit an Hodenkrebs erkrankten. Im aktuellen sportstudio (Samstag, 23:15 Uhr, im Livestream) erzählt Baumgartl von seinem schweren Weg zurück auf den Platz.
Baumgartl, Richter und zuletzt Boetius wurden in der Berliner Charité operiert. Die Leiterin des Hodentumorzentrums der Charité, Dr. Mandy Hubatsch, spricht im Interview über die Fälle im Profifußball und klärt über die Krankheit auf.
Dr. Mandy Hubatsch, Leiterin des Hodentumorzentrums in der Berliner Charité
Quelle: priv.
Dr. Mandy Hubatsch ist Leiterin des Hodentumorzentrums in der Berliner Charité, wo sich Timo Baumgartl, Marco Richter und zuletzt Jean-Paul Boetius operieren ließen.
ZDF: Frau Dr. Hubatsch, was ging in Ihnen vor, als Sie die Meldungen über die erkrankten Fußballer gelesen haben?
Hubatsch: Da war ich vor allem froh darüber, dass sie mit diesem persönlichen Thema an die Öffentlichkeit gegangen sind. Vor allem Timo Baumgartl ist da als Leitfigur zu nennen. Es war ein starkes Zeichen von ihm, so früh und so offensiv über seine Erkrankung zu sprechen - und zwar als bei ihm noch gar nicht klar war, wo die Reise hingehen würde.
Er hat deutlich gemacht, dass ihn ein Schicksalsschlag getroffen hat, aber gleichzeitig aufgezeigt, welche Therapiemöglichkeiten es gibt. So wird das Thema Hodenkrebs enttabuisiert. Das ist aus meiner Sicht sehr wichtig.
Wenn Timo Baumgartl nach seinem Comeback auf die Reporter-Frage‚ was ihm denn noch fehle, antwortet: "Außer meinem zweiten Hoden?"‘, dann sehen die Fans: Das ist eine coole Socke.
Dr. Mandy Hubatsch, Urologin
ZDF: Wie ist die relative Häufigkeit der Fälle im Profifußball zu erklären?
Hubatsch: Das liegt daran, dass die betroffenen Spieler als Bundesliga-Profis mehr im Blickpunkt stehen als Herr Müller, Meier oder Schmidt - und, dass sie ihre Erkrankung öffentlich gemacht haben. Außerdem haben die Vereine ihre medizinischen Checks ausgeweitet. Neben den üblichen Fitness-Parameter werden nun auch Vorsorgeuntersuchungen, wie zum Beispiel auf Hodenkrebs, durchgeführt.
ZDF: Haben Sportler - oder speziell Profis - ein größeres Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken?
Hubatsch: Nein, das ist rein zufällig und hat mit der besseren medizinischen Betreuung zu tun. Die normale Vorsorge bei gesetzlich Versicherten beginnt mit 45 Jahren. Vorher werden die Hoden lediglich einmal vom Kinderarzt untersucht. Früher, als noch die Wehrpflicht bestand, gab es einen weiteren Check bei der Bundeswehr. So wurden Hodenkrebserkrankungen auch bei jüngeren Männern erkannt und therapiert.
Die nächste Hodentumor-Diagnose in der Fußball-Bundesliga binnen kurzer Zeit, die zweite bereits für einen Hertha-Profi: Jean-Paul Boetius muss operiert werden.
ZDF: Marco Richter und Timo Baumgartl sind schon nach wenigen Monaten Auszeit auf den Platz zurückgekehrt. Die Heilungschancen - und somit die Hoffnungen auch für Haller und Boetius - sind also durchweg gut?
Hubatsch: Ja, die Heilungsrate liegt bei über 90 Prozent. Der Hoden mit dem bösartigen Karzinom wird entfernt. Damit ist es meistens getan. Doch auch im metastasischen Stadium ist der Hodenkrebs sehr gut behandelbar und die Überlebenschancen der betroffenen Männer sehr hoch.
ZDF: Wie können Männer einer Erkrankung an Hodenkrebs vorbeugen?
Hubatsch: Außer regelmäßigen Untersuchungen beim Facharzt kann man selbst etwas tun, nämlich die Hoden abtasten, ob dort etwas Auffälliges zu spüren ist. Männer, die als Kind einen Hodenhochstand hatten, haben ein etwas höheres Risiko und sollten dies häufiger tun.
So wie Frauen regelmäßig ihre Brüste abtasten sollten, ob sich dort womöglich ein Knötchen gebildet hat. Bei Frauen ist allerdings die Hemmschwelle geringer, darüber zu reden, doch dies sollte auch bei Männern kein Grund sein, im Falle einer Auffälligkeit sofort einen Facharzt aufzusuchen.