Olympia soll kleiner werden, nachhaltiger, weiblicher. Es soll wieder näher an die Menschen heranrücken, die es begeistern will. Doch wie steht es um diese ehrgeizigen Pläne?
Tokio 2020 sollte der Wendepunkt sein. Die Olympischen Spiele in Japan sind das letzte Ringe-Event, das vor der großen Reform vergeben wurde.
Bachs Vision für Olympia
Größer, teurer, glitzernder - der deutsche Ex-Fechter Thomas Bach, seit 2013 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schrieb sich bei seinem Amtsantritt 2013 auf die Fahne, dieses Mantra des Ringe-Ordens abzulegen. Ende 2014 präsentierte er mit der "Agenda 2020" auf 100 Seiten seine "Vision für die Zukunft der olympischen Bewegung".
Max Hartung war damals begeistert. "Ein deutscher IOC-Präsident, noch dazu ein ehemaliger Fechter, hatte super Ideen - ich fand das toll", sagt er, selbst Weltklasse-Fechter und zudem Gründungspräsident von "Athleten Deutschland", der international viel beachteten, verbandsunabhängigen Interessenvertretung deutscher Spitzensportler. Heute sei er jedoch ernüchtert, erklärt Hartung.
Taktieren im russischen Dopingskandal
Der Wirtschaftsanwalt Thomas Bach vermag es, mit viel Pathos Visionen zu verkünden, überzeugt im Alltag aber nicht immer auf Anhieb. Seine Bewältigung des russischen Doping-Skandals sah so aus: Er schob die Entscheidung über Sanktionen den nationalen Verbänden zu und hielt sich fein raus.
Sein Verhältnis zu jenen Sportlern, die um mehr Mitbestimmungsrecht und finanzielle Teilhabe kämpfen, gilt als angespannt. Und auch sein Zaudern, als es in diesem Jahr im Angesicht der Corona-Pandemie um die Verschiebung der Olympischen Spiele ging, stieß nicht gerade auf Begeisterung.
Bach: Zu 85 Prozent umgesetzt
Bevor dieses schwierige Jahr endet, hat Bach nach einer Videoschalte des Exekutivkomitees noch verkünden lassen, dass "85 Prozent der Empfehlungen der Olympischen Agenda 2020" umgesetzt worden seien.
"Viele Veränderungen werden jetzt, sechs Jahre nach Verabschiedung der Olympischen Agenda 2020, erst richtig sichtbar", heißt es in einer Mitteilung. Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Jugend seien die drei Säulen der Reformpläne. Auf jeden Fall sind es drei Schwachpunkte, die die Bevölkerung möglicher Olympia-Ausrichterstädte (in Deutschland München und Hamburg) zuletzt zu einem Votum gegen die Spiele veranlassten.
Ab Paris 2024: Olympia wird kleiner
Für Paris 2024 hat das IOC nun festgelegt: Erstmals werden weibliche und männliche Athleten exakt die gleiche Anzahl an Startplätzen erhalten. Die Gesamtzahl der Sportler wird sich im Vergleich zu Tokio 2020 (11.092) um 592 auf 10.500 reduzieren. Es wird weniger Medaillenentscheidungen geben (339 in Tokio/329 in Paris). Und: Es sollen rund 400 Offizielle weniger dabei sein.
"Natürlich macht es keinen Sinn, Olympia ewig wachsen zu lassen", sagt Max Hartung. Und wenn die Spiele kleiner, jünger und weiblicher werden sollen, geht das nicht ohne Einschnitte.
Hartung: Flexibilität ist schmerzhaft
Dennoch sollte die Planbarkeit für Athleten so gut es geht erhalten bleiben, betont der Fechter. Hartung: "Die Flexibilität im Programm ist für viele Sportler schmerzhaft, für sie geht es ja um ganze Lebenspläne."
Es selbst hat das erfahren, als der Teamwettbewerb der Säbelfechter 2016 in Rio nicht ausgetragen wurde, weil das Säbelfechten für Frauen ins Programm gerückt war.
Interview vom 17. Juli 2020: Der Athletensprecher fordert eine größere Einbindung der Sportler in den Diskurs um die Durchführung der olympischen Spiele.
Im Tunnel der Corona-Pandemie
Aber das sind Einzelschicksale, die keinen Einzug in den Bach'schen Pathos finden. Der IOC-Präsident möchte, "dass die olympische Flamme zum Licht am Ende des Tunnels wird". So hat er es im März nach der Verschiebung der Tokio-Spiele auf 2021 formuliert.
Neun Monate später steckt die Welt noch immer im Tunnel der Corona-Pandemie. Thomas Bach gibt sich dennoch zuversichtlich. Bei einem Besuch in Japan im November sagte er: "Wir werden diese Olympischen Spiele wieder zu einem großen Symbol der Solidarität und der Einheit der Menschheit in dieser Welt machen, die bis dahin hoffentlich eine Welt nach dem Coronavirus sein wird."