Kanute Saeid Fazloula: "Die Menschen im Iran haben es satt"

    Sportstudio-Gast Saeid Fazloula:"Die Menschen im Iran haben es satt"

    von Andreas Morbach
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    Weltweite Solidarität für die Proteste im Iran, glaubt der geflüchtete Kanute Saeid Fazloula, könne helfen, das Regime zu stürzen. Er selbst musste wegen eines Selfies fliehen.

    Saeid Fazloula Interview
    Der Kanute Saeid Fazloula ist vor sieben Jahren aus dem Iran geflohen. Von Deutschland verfolgt er die Proteste in seiner Heimat und sagt: "Dieses Mal ist es anders."22.10.2022 | 8:11 min
    Die Flucht des Kanuten Saeid Fazloula aus dem Iran liegt inzwischen sieben Jahre zurück. Wegen eines Selfies, das er vor dem Mailänder Dom gemacht hatte, kam damals der Verdacht auf, er sei zum Christentum konvertiert. "Und auf den Wechsel der Religion steht bei uns die Todesstrafe", erklärte Fazloula gerade im "aktuellen sportstudio".

    Neues sportliches Zuhause in Karlsruhe

    Nach der Rückkehr in seine Heimat wurde er am Flughafen festgenommen. "Damit hat alles begonnen", rekapituliert der heute 30-Jährige, der dank der Nachfragen von Journalisten aus dem Gefängnis freikam, sich aber täglich in seiner Heimatstadt bei der Polizei melden musste. In Frauenkleidern floh er schließlich über die Balkanroute nach Deutschland.
    Bei den Rheinbrüdern Karlsruhe fand Fazloula ein neues sportliches Zuhause, startete bei den Olympischen Spielen im vergangenen Sommer für das IOC-Flüchtlingsteam. Wegen seiner eigenen Geschichte verfolgt er die aktuellen Proteste im Iran gegen das Mullah-Regime besonders intensiv - und betont: "Diesmal ist es wirklich anders."

    Internationale Aufmerksamkeit als Pluspunkt

    Seit über fünf Wochen, argumentiert er, liefen die Proteste bereits. "Die Menschen im Iran haben es satt. Sie können nicht mehr so weitermachen - und diesmal geht es um Menschenleben", sagt Fazloula, der weiß:

    Für Veränderungen musst man einen Preis bezahlen. Und die Iraner sind momentan bereit, diesen Preis zu bezahlen.

    Saeid Fazloula

    Die große internationale Aufmerksamkeit für die Ereignisse im Iran wertet er dabei als einen entscheidenden Pluspunkt. Ein gutes Beispiel hierfür sei die Profikletterin Elnaz Rekabi, die die Asien-Meisterschaften in Südkorea kürzlich ohne Kopftuch bestritten hatte.

    Unterstützung für Elnaz Rekabi

    Damit verstieß die 33-Jährige gegen die Vorschriften der Islamischen Republik Iran. Sie entschuldigte sich, zunächst auf Instagram, nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland dann bei einem eiligen Interview auf dem Flughafen.
    "Auch dort trug sie kein Kopftuch, sondern ein Käppi. Das war auch richtig. Damit wollte sie zeigen, dass sie unter Druck steht", erklärt Fazloula - der in diesem Zusammenhang erwähnt: "Bei mir hat das damals keiner gesehen. Über ihren Fall dagegen wird jetzt viel berichtet. Das schützt sie vor Strafe. Erst einmal ist sie, glaube ich, nicht in Gefahr. Aber später auf jeden Fall."

    Ein Zeichen der ganzen Welt

    Es ist die dringende Aufforderung, die Ereignisse im Iran weiter scharf im Blick zu behalten. Bei einer Demonstration in Berlin solidarisierten sich am Samstag 80.000 Menschen mit den Protesten im Iran. Für Saeid Fazloula ein guter Anlass, auf die alljährlichen Feiern der Islamischen Revolution von 1979 zu verweisen.
    "Dabei waren nie so viele Leute auf der Straße", sagt er - und schlussfolgert: "Das ist ein Zeichen der ganzen Welt - dass dieses Regime keiner mehr will."

    Fünf Tage ohne Kontakt zu den Eltern

    Es sei "wirklich nicht einfach", was in seinem Heimatland gerade passiert, sagt der Kanute. Zur Verdeutlichung berichtet er davon, dass er zwischenzeitlich fünf Tage lang keinen Kontakt zu seinen Eltern im Iran hatte - weil dort das Internet abgeschaltet war.
    Er selbst habe anonyme Anrufe bekommen, nicht mehr reden zu dürfen, wolle aber mithelfen, die politischen Umwälzungsbestrebungen in seiner Heimat zu unterstützen. "Soweit ich das kann."
    Protest im Iran
    Im Iran wacht eine "Sittenpolizei" über das korrekte Tragen von Kopftüchern. Die Straßen-Proteste richten sich längst nicht mehr nur dagegen - es geht grundsätzlich um Freiheit.14.10.2022 | 14:59 min

    Dankbarkeit gegenüber Deutschland

    Zurück in das Land, aus dem er einst in Frauenkleidern flüchtete, will er nicht. "Ich bin ein dankbarer Mensch. Deshalb bleibe ich in Deutschland", kündigt er stattdessen an. Und fügt hinzu: "Ich habe jetzt langsam eine kleine Familie - und freue mich einfach, wenn ich hier leben darf."
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