Nur zwei Deutsche hatten die Ehre, gegen Muhammad Ali zu boxen: Karl Mildenberger und Jürgen Blin. Blins Kampf jährt sich heute zum 50. Mal.
Vor knapp zwei Jahren taten sich die Boxställe Universum und Sauerland für einen Kampfabend in Hamburg zusammen, um dem Boxsport in Deutschland einen neuen Push zu geben. Neben zahlreichen anderen Jugendlichen saß auch der 15-jährige Luciano am Ring, der seit kurzem selbst im Universum-Gym boxte.
Als er einem Reporter erzählte, sein Vorbild Muhammad Ali habe ihn zum Boxen gebracht, ahnte der Junge nicht, dass ein paar Meter vor ihm einer saß, der schon einmal gegen Ali gekämpft hatte.
Blins gern gehörte Geschichte
Der Reporter machte die beiden bekannt, und Jürgen Blin musste wieder erzählen, wie es damals war, als er am zweiten Weihnachtstag 1971 im Züricher Hallenstadion gegen den "Größten" antrat - so wie Blin seit fünfzig Jahren immer wieder diese Geschichte erzählt, weil sich seine Zuhörer dem Sportler des Jahrhunderts nah fühlen wollen. Und weil Blin eben auch ein nahbarer Typ ist.
Am häufigsten hat er die Geschichte wohl in seiner kleinen Bierbar im Hamburger Hauptbahnhof erzählt, zwischen Zapfhahn und Daddelautomaten, wo er bis zu seinem 70. Geburtstag vor acht Jahren selbst die Frühschicht ab sechs Uhr morgens schmiss.
Wenn ein Gast wieder einmal wissen wollte, wie es damals mit Ali war, spannte er seinen immer noch drahtigen Körper und demonstriert mit schnellen Fäusten, wie er zu Alis Verblüffung gleich in den ersten Runden in die Offensive ging.
Aufbaugegner für Alis Comeback
"Eigentlich hatte ich keine Chance", erzählte er damals im Gespräch mit dem ZDF. Für einen Schwergewichtler sei er eigentlich zu leicht gewesen, aber das Cruisergewicht gab es damals noch nicht. "Ich habe sie geboxt, wie sie kamen", sagte Blin:
Blin, der zuvor zwei Mal knapp den Europameister-Titel verpasst hatte, war von Alis Management mit Bedacht ausgewählt worden. Der Ex-Weltmeister brauchte nach seiner Sperre wegen Kriegsdienstverweigerung und der Niederlage im WM-Kampf gegen Joe Frazier im März 1971 Aufbaugegner für den erneuten Angriff auf den WM-Titel.
Blin sucht sein Heil in der Offensive
"Ich hatte ein bisschen Muffe", gab Blin immer zu: "Die Stunde vor dem Kampf war am schlimmsten, weil ich nicht wusste, was auf mich zukam."
Aber als der Gong ertönte, ging er sofort in die Offensive und hielt die ersten Runden überraschend gut mit. Erst in der siebten Runde schickte ihn Ali mit einer Rechten auf die Bretter.
Am Montag wieder im Schlachthof
Er kam mit einem blauen Auge davon. Und mit 180.000 D-Mark Gage. "Montagmorgen stand ich wieder bei der Arbeit im Schlachthof", sagte Blin, gelernter Fleischermeister.
Den sportlich wichtigsten Kampf boxte Blin ein halbes Jahr später, als er im Juni 1972 gegen den Spanier José Manuel Urtain doch noch Europameister wurde.
Noch länger, als er hinter seiner Kneipentheke stand, betreute Blin junge Boxer, die er mit viel Herzblut zwei Mal wöchentlich ehrenamtlich trainierte. Richtig schön ärgern konnte er sich zu dieser Zeit, wenn er die Einstellung der Jungs mal wieder als zu "lasch" empfand. Sein Traum war immer, selbst mal einen Boxer nach oben zu bringen.
Auch der Enkel steht im Ring
Nun könnte er ausgerechnet in der eigenen Familie tatsächlich noch ein Talent wachsen sehen. Wenige Tage vor dem 50. Jubiläum seines Kampfes gegen Ali absolvierte sein Enkel Joscha Blin im Rahmenprogramm eines Boxabends in Magdeburg seinen ersten Profikampf.
"Es würde mich schon freuen, wenn er groß rauskommt", sagte Opa Blin vor dem Kampf seines Enkels. Immerhin: Schon in der dritten Runde hatte der 24 Jahre alte Mittelgewichtler seinen Gegner Richard Walter entscheidend auf die Bretter geschickt.