Sie sind auf dem Weg zum großen Ziel - nun wirft die Pandemie junge Fußball-Talente aus der Bahn. Susanne Amar coacht Eltern und Vereine und sagt im ZDF-Interview, was jetzt zählt.
ZDFsport: Frau Amar, der Spielbetrieb in den Juniorenligen ruht, in vielen Bundesländern dürfen die Nachwuchsmannschaften zwar trainieren, aber Corona-konform und nicht unter Wettkampfbedingungen. Wie sehen Sie die Situation für die U17- und U19-Spieler in den Nachwuchsleistungszentren?
Susanne Amar: Gerade in der U19 möchten sich die Spieler ja zeigen, um sich für den Profibereich zu empfehlen. Das wird ihnen jetzt komplett genommen.
Diese Unsicherheit ist auch in normalen Zeiten schon vorhanden. Ich kenne das von unserem Sohn, der immer von Saison zu Saison gelebt hat. Denn es war nie klar, wo es weiter gehen wird. Es ist bewundernswert, wie sich die jungen Spieler immer wieder an neue Situationen anpassen können.
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ZDFsport: Und jetzt müssen sie sich daran anpassen, wie Amateure behandelt zu werden?
Amar: Ja, von ihrem Selbstverständnis her sind sie in erster Linie Fußballer, aber der Fußball findet nicht statt. Trotz Anpassungsfähigkeit brauchen sie in dieser Situation viel Begleitung und Unterstützung, damit Mut und Perspektiven nicht verloren gehen.
ZDFsport: Welche Aufgabe kommt dabei den Vereinen zu?
Amar: Ich hatte vor kurzem einen Vater im Coaching, dessen Sohn im Perspektivgespräch mitgeteilt worden war, dass es für ihn in diesem Nachwuchsleistungszentrum nicht weitergeht, weil er körperlich nicht weit genug sei. Der Spieler und die Familie sind aus allen Wolken gefallen, weil sie nicht damit gerechnet hatten, dass solche Entscheidungen während des Shutdowns überhaupt fallen. Es ist wichtig, dass der Verein mit den Spielern offen kommuniziert, wie der Verein mit der Situation umgehen will, welche Entscheidungen anstehen. Auch wenn es sich nur um die nächsten vier Wochen handelt.
ZDFsport: Worauf sollten die Trainer achten?
Amar: Es ist immer wichtig, dass die Trainer*innen in engem Kontakt mit den Spieler*innen stehen. Das kann auch jetzt stattfinden, zum Beispiel über regelmäßige Team-Calls. Für 1:1-Gespräche, die unter normalen Trainingsbedingungen oft nicht möglich sind, haben sie jetzt sogar mehr Zeit.
ZDFsport: Was raten Sie den Eltern, die die besorgten Jugendlichen vermehrt zu Hause haben? Auch die Spieler aus den Internaten sind im Moment teilweise bei ihren Eltern.
Amar: Auch wenn sie selbst Sorge um ihr Kind haben, sollten sie es nicht bedrängen, sondern kommen lassen. Sie können ihre eigenen Sorgen formulieren und zeigen, dass sie da sind, aber die Verantwortung für den ersten Schritt bei ihm lassen. Vor allem sollten sie nicht die Einhaltung der Trainingspläne überwachen, die Jugendlichen wissen schon selbst, warum sie etwas machen oder nicht. Im Übrigen halte ich auch die Kommunikation der Vereine mit den Eltern für sehr wichtig.
ZDFsport: Wie sollte die aussehen?
Amar: Auch für die Eltern ist es wichtig, über die nächsten Schritte informiert zu sein, um mit ihren Kindern darüber sprechen zu können. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Eltern die Möglichkeit haben, mit den Vereinen in Kontakt zu treten, gerade wenn sie sich Sorgen machen. Aber das bedarf eines großen Vertrauens, das oft nicht gegeben ist.
ZDFsport: Woran liegt das?
Amar: Die Kommunikationsebene zwischen den Eltern auf der einen und den Trainer*innen und Jugendleiter*innen auf der anderen Seite ist oft nicht so, dass man offen über Ängste und Sorgen sprechen kann.
Der Fokus liegt darauf, sich durchzusetzen und den nächsten Schritt zu machen, da wird selten nach rechts und links geguckt. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, bereits früh mit dem Aufbau eines guten Miteinanders zu beginnen.