Er kam wie aus dem Nichts auf die große Sportbühne, gewann Olympia-Gold und brach Rekorde. Bernd Kannenberg, einer der erfolgreichsten deutschen Geher, ist mit 78 Jahren gestorben.
Zum Olympiasieg wie aus dem Nichts: Erst drei Jahre vor seinem Triumph bei den Spielen in München 1972 war Bernd Kannenberg zum Gehsport gekommen. In München triumphierte er dann mit Gold über 50 Kilometer in 3:56:11,6 Stunden - und blieb damit als Erster mit seiner Zeit unter vier Stunden.
Kannenberg, neben Christoph Höhne (1968/50 km), Peter Frenkel (1972/20 km) und Hartwig Gauder (1980/50 km) einer von vier deutschen Geher-Olympiasiegern, ist im Alter von 78 Jahren gestorben.
Der in Ostpreußen geborene Leichtathlet gehörte schließlich zu den Hauptdarstellern des "Goldenen Sonntags" der bundesdeutschen Athleten bei den Sommerspielen in München: Am 3. September 1972 gewannen neben Kannenberg auch Hildegard Falck über 800 Meter und Klaus Wolfermann im Speerwurf Gold sowie Heide Rosendahl im Fünfkampf Silber.
Olympia in München 1972 sollen heitere Spiele sein. Doch mit dem Attentat auf die israelische Mannschaft erleben die Spiele auch die schwärzeste Stunde.
Die größte Überraschung war aber der Triumph des Gehers Kannenberg, der quasi aus dem Nichts kam, zumal er drei Tage vorher im 20-Kilometer-Wettbewerb aufgegeben hatte und damit alles andere als ein Favorit über die 50km war. Lange sah es auch nicht so aus, als könne Kannenberg Wenjamin Soldatenko aus der Sowjetunion noch abhängen. Doch sein Ausreißversuch bei Kilometer 38 wurde im Olympiastadion unter dem Jubel der Zuschauer mit Gold gekrönt.
Ein Mann für Rekorde
Nach dem Olympiasieg gewann Kannenberg bei der EM 1974 in Rom noch Silber. In seiner relativ kurzen Laufbahn von 1970 bis 1976 dominierte er das nationale Wettkampf-Geschehen und konnte dabei insgesamt zehn deutsche Meistertitel über 50 Kilometer, 20 Kilometer sowie im 10.000-Meter-Bahngehen gewinnen.
Zudem stellte Kannenberg in seiner Karriere 19 deutsche Rekorde sowie zehn Weltrekorde auf. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal startete er über 20 Kilometer, musste aber wegen starker Schmerzen aufgeben. Leisten- und Hüftprobleme als Folge des intensiven Trainings von bis zu sechs Stunden täglich begleiteten und belasteten ihn sein Leben lang. So musste Kannenberg deshalb auch das Amt des Bundestrainers nach einigen Jahren wieder aufgeben.
Flucht vor der Sowjet-Armee
Schon vor seiner Sportkarriere hatte er ein bewegtes Leben. Am Ende des Zweiten Weltkriegs floh Kannenberg aus seiner Geburtsstadt Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, vor der Sowjet-Armee. "Zusammen mit seiner Großmutter und einer Cousine war er an Bord der 'Wilhelm Gustloff', als das als Flüchtlingstransporter eingesetzte Schiff von russischen U-Booten torpediert wurde und schnell sank", berichtete Stiefsohn Guido Schröder in einer Mitteilung zum Tod Kannenbergs.
Kannenberg und seine Cousine zählten zu den wenigen Überlebenden und fanden in Thüringen eine neue Heimat. 1955 emigrierte er nach Westdeutschland. "Sport war immer ein zentraler Bestandteil im Leben von Bernd Kannenberg", sagte Schröder. "Erst in den letzten Jahren war er krankheitsbedingt gezwungen, auf das Training mit dem Rennrad und die vielen langen Spaziergänge mit seinem Hund zu verzichten."