European Championships: Klettern vor Münchens Akropolis
European Championships:Klettern im Schatten der Münchner Akropolis
von Lars Becker
12.08.2022 | 08:47
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Nach der Olympia-Premiere 2021 gehört Klettern auch bei den European Championships in München zu den Top-Attraktionen. In historischer Umgebung geht es nach oben.
Vertikaler Sportplatz vor großer Kulisse: Der Königsplatz in München ist Austragungsort der Kletter-Wettbewerbe.
Quelle: Angelika Warmuth/dpa
Als König Ludwig I. im 19. Jahrhundert die Propyläen in München erbauen ließ, hatte er die derzeitige Verwendung dieses repräsentativen Stadttores ganz sicher nicht im Sinn. Direkt vor dem im Stil der Akropolis von Athen errichteten Bauwerk ragen jetzt drei bis zu 15 Meter hohe Kletterwände in die Höhe.
Klettern im Livestream
13. August: Sendung mit Lead-Finale Frauen (ab ca. 16 Uhr) und Boulder-Finale Männer (ab ca. 17.30 Uhr)
14. August, 18.30 Uhr: Lead der Männer, Finale
15. August: Sendung mit Finale Speed Männer und Frauen (ab ca. 15.30 Uhr)
17. August: Sendung mit Boulder-Finale Frauen (ab ca. 15 Uhr)
Spiderman lässt grüßen und das bei heißer Musik: Der Königsplatz im Herzen von München ist bei den European Championships die prächtige Kulisse für zwei aufstrebende Trendsportarten. Neben den Kletterern ermitteln hier auch die Beachvolleyballer ihre kontinentalen Champions.
Kletterer Flohé: Endlich mitten in der Stadt
"Es sieht megaschön aus. Ich war überrascht, als ich das Bild vom Königsplatz das erste Mal gesehen habe. Endlich sind wir mal nicht irgendwo auf dem Land, sondern mitten in der Stadt", schwärmt Yannick Flohé.
Ich bin megagespannt wie das wird mit der großen Aufmerksamkeit. Das ist eine Riesenchance für unsere Sportart.
Yannick Flohé
Er ist einer der größten deutschen Medaillenanwärter im 20-köpfigen deutschen Aufgebot. Aber der Kampf um die insgesamt acht Goldmedaillen im Klettern ist diesmal wohl nicht der einzige wichtige Aspekt für die Kletterer.
Flohé, 22 Jahre alt, hofft auf viele Zuschauer und eine coole Stimmung: "Und vielleicht können wir ja noch mehr Leute zum Klettern bewegen, die zufällig am Königsplatz vorbeilaufen."
Boom im Klettern
Ohnehin liegt die an künstlichen Kletterwänden eher junge Sportart spätestens seit ihrer gelungenen Olympia-Premiere im vergangenen Jahr in Tokio voll im Trend. Laut dem in Deutschland zuständigen Alpenverein ist die Zahl der aktiven Kletterer in natürlicher und künstlicher Umgebung in den letzten drei Jahrzehnten von 70.000 (1990) auf 600.000 (2021) gewachsen.
Das hängt neben der wiederentdeckten Liebe vieler junger Menschen zur Natur vor allem mit der Ausbreitung von künstlichen Kletterwänden in den Städten zusammen. Die Zahl von derlei Anlagen ist von 20 (1990) auf 535 (2021) explodiert.
Der Österreicher Jan-Luca Posch in der Qualifikation der Boulderer.
Quelle: IMAGO / GEPA pictures
Auch BMX und Beachvolleyball sollen begeistern
Das Event im Herzen München soll den Kletterboom nun weiter beschleunigen. Die Organisatoren der European Championships hoffen derweil, mit den jungen Trendsportarten vor allem beim jüngeren Publikum die Begeisterung für große Sportevents und eine deutsche Olympia-Bewerbung wieder zu entfachen.
Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Beim Klettern werden bei teils freiem Eintritt viele Fans erwartet; das 5.000 Zuschauer fassende Beachvolleyball-Stadion nebenan ist an den drei Finaltagen schon restlos ausverkauft. Und auch die BMX-Rad-Artisten auf dem Olympiaberg lockten vor der prächtigen Alpenkulisse im Hintergrund schon an den Trainingstagen viele staunende Zuschauer an.
Deutschlands derzeit bestes Beachvolleyball-Duo Svenja Müller und Cinja Tillmann startet bei den European Championships.
Nach den Finals: Klettern für alle
"Wir wollen mit diesen European Championships ein Statement dafür setzen, dass große Multisport-Veranstaltungen in Deutschland wieder angenommen werden. Indem wir die Menschen dafür begeistern und Kinder und Jugendliche wieder zum Sport bringen: Mit einem nachhaltigen Erbe, von dem alle etwas haben", sagt Marion Schöne als Organisationschefin der European Championships.
Deshalb kann nach Ende der Kletter-Wettkämpfe vom 19. bis 21. August auch jeder an den echten Wettkampf-Kletterwänden ausprobieren, ob er zum Spiderman oder zur Spiderwoman taugt.
Spektakuläre Manöver am Königsplatz
Zuvor wollen Yannick Flohé und Co die Fans jedoch mit spektakulären Manövern an den Kletterwänden begeistern. Akrobatik gehört beim Klettern genauso zum Repertoire wie Kraft oder Geschwindigkeit.
Teilweise hängen die Athleten kopfüber in der Wand oder halten ihr ganzes Körpergewicht nur an einem Finger. Vielleicht hätte das sogar König Ludwig I. begeistert.
Bouldern: Auf Routen mit einer maximalen Höhe von vier Metern und Sicherheitsmatten darunter werden explosive Bewegungsabläufe gezeigt. Der Athlet, der die meisten Boulder in der geringsten Anzahl von Versuchen löst, gewinnt. Dynamische Bewegungen und extreme Körperhaltungen sind die Besonderheit beim Bouldern.
Lead: Athletinnen und Athleten klettern an einem Seil gesichert nacheinander an einer überhängenden Route mit einem Sechs-Minuten-Limit. Wer den höchsten Punkt erreicht, gewinnt. Männer und Frauen treten auf unterschiedlichen Routen an. Die Sicherungselemente (Seil, Haken) dürfen die Fortbewegung nicht unterstützen - analog zum Freiklettern in der Natur.
Speed: Die Kletterer sind von oben gesichert (Toprope) und sprinten zwei genormte, parallele Routen an einer 15 Meter hohen Wand nach oben. Männer und Frauen treten auf identischen Routen an.
Seit der Standardisierung der Wände im Jahr 2007 können offizielle Weltrekorde erzielt werden. Der aktuelle Weltrekord der Männer liegt bei 5,20 Sekunden - aufgestellt vom indonesischen Kletterer Veddriq Leonardo im Jahr 2021. Die Weltrekordhalterin der Frauen ist die polnische Athletin Aleksandra Miroslaw, die ihren Rekord bei den Olympischen Spielen in Tokio erreicht hat - mit 6,84 Sekunden.
Boulder und Lead: Ist die Wettkampfform, wie sie als kombiniertes Event bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 ausgetragen wird.