Die erfolgreichste Leichtathletin der Welt sagt "good bye". Allyson Felix verabschiedet sich guten Gewissens. Sie hat viel erreicht - auf der Bahn und außerhalb.
Ihr letztes großes Rennen war noch knapp 24 Stunden entfernt, doch Allyson Felix wurde da schon emotional. "Ich fange gleich an zu weinen", sagte sie am Donnerstag auf der Pressekonferenz der US-Mannschaft mit Blick auf fünf Teamkollegen.
Einstige Fans jetzt Teamkollegen
Kugelstoßerin Chase Ealey, Mehrkämpferin Anna Hall und die Sprinter Fred Kerley sowie Josephus und Noah Lyles hatten links neben ihr auf dem Podium im Medienzentrum von Eugene Platz genommen - und erzählten, wann sie Felix erstmals gesehen hatten.
Bei Josephus Lyles waren es die Sommerspiele 2012. "Sie hatte die 200 Meter gewonnen. So cool, zehn Jahre später mit ihr in einem Team zu sein." Hall berichtete, ein Poster von Felix in ihrem Zimmer gehabt zu haben. Als die mit 29 Olympia- und WM-Medaillen meistdekorierte Athletin der Leichtathletik-Geschichte 2003 ihre WM-Premiere hatte, war Hall gerade zwei Jahre alt.
"Ihr seid die Gegenwart und die Zukunft", sagte Felix an die zwischen 21 und 27 Jahre alten Teamkollegen gewandt: "Ich freue mich, wenn ich einen klitzekleinen Einfluss auf euch hatte."
Abschied in der Mixed-Staffel
Am ersten Wettkampftag der WM in Eugene wird sich Felix von der internationalen Bühne verabschieden. Die 36-Jährige läuft in der 4x400 Meter-Mixed-Staffel (Entscheidung am Samstag, 4.50 Uhr MESZ).
Für sie sei es eine Ehre, noch einmal bei einem Großevent zu starten. Noch einmal eine Runde im Hayward Field zu absolvieren. Noch einmal "die Magie des Stadions" zu spüren.
- Fünf Sportler für den besonderen Moment
Bei der Leichtathletik-WM in Eugene starten mehr als 1.900 Athleten und Athletinnen. Darunter fünf Köpfe, die für besonders außergewöhnliche Momente sorgen können.
Schwangerschafts-Vergiftung veränderte ihr Leben
Die Sprinterin Allyson Felix geht, doch ihre Errungenschaften werden bleiben - und was für Errungenschaften. Felix sagte zum Beispiel vor dem US-Kongress aus, wie wichtig es sei, dass schwarze Frauen während ihrer Schwangerschaft besser geschützt werden müssen.
Zu dieser Erkenntnis war sie auf dramatische Weise gekommen, als die Ärzte in ihrer 32. Schwangerschaftswoche eine Präeklampsie diagnostizierten und Tochter Camryn per Not-Operation zwei Monate zur früh zu Welt kam.
Felix hatte zuvor noch nie von dieser Schwangerschafts-Vergiftung gehört - und war erschrocken, als sie erfuhr, dass sie bei schwarzen Frauen rund 60 Prozent häufiger vorkommt.
Kampf und Sieg gegen Sport-Business-Giganten
Im Sommer 2019 stellte sie ihren langjährigen Sponsor Nike bloß. Felix hatte von ihren Erfahrungen als schwangere Athletin berichtet. Davon, dass Nike ihr einen Vertrag mit 70 Prozent weniger Gehalt angeboten hatte, nachdem sie gesagt hatte, dass sie ein Baby erwarte.
Rückblickend spricht sie vom "erschreckendsten Augenblick meines Lebens". Sie, die liebe, nette Athletin, die stets lächelte und nie laut wurde, hatte sich mit der wertvollsten Marke des Sports Business (Vermögenswert 2020 waren 32 Milliarden Dollar/Anm. d. Red.) angelegt - und gewonnen.
Mittlerweile garantiert Nike Athletinnen acht Monate vor und zehn Monate nach der Geburt volle Gehaltszahlungen und Boni.
In eigener Schuhmarke zu Olympiagold
Seit 2018 steht Felix bei Athleta unter Vertrag. Sie war die erste Athletin, mit der das Unternehmen für Damen-Sportbekleidung einen solchen Deal abschloss. Als Zweite folgte Turnstar Simone Biles. Zusammen mit Bruder Wes hat Felix “Saysh” gegründet. Eine Schuhmarke speziell für Frauen.
Bei den Sommerspielen in Tokio lief sie im Vorjahr in eben solchen Schuhen zu Gold und Bronze. Die vergangenen drei Jahre seien die herausforderndsten gewesen, sagt Felix. Irgendwie könne sie gar nicht glauben, was sie geschafft habe. Und wer weiß, was sie noch alles durchsetzen wird, wenn sie bald nicht mehr täglich trainieren muss - und somit noch mehr Zeit hat, sich für Frauenrechte einzusetzen.