Auch bei Spitzensportlern werden immer häufiger Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion entdeckt - unabhängig von der Schwere der Erkrankung und in erschreckender Vielfältigkeit.
Triathletin Katharina Blach hat kaum noch Gefühl in Händen und Füßen. Ringer-Weltmeister Frank Stäbler bekommt weniger Luft als gewohnt, er hat rund 20 Prozent der Leistungsfähigkeit seiner Lunge eingebüßt. Und Para-Tischtennisspielerin Juliane Wolf riecht und schmeckt nicht mehr, was sie isst, und konnte vier Monate lang nicht trainieren, weil ihr Herz angegriffen war.
Drei Athleten, alle haben eine Infektion mit dem neuen Coronavirus durchgemacht und hatten diese nach einem mehr oder minder schweren Verlauf zunächst ganz gut überstanden. Na klar, sie sind jung, gesund und durchtrainiert.
Was nach der überstandenen Corona-Infektion passieren kann.
Wochen, Monate später noch Symptome
Doch mussten sie erfahren, dass das kein Garantieschein dafür ist, ohne Langzeitfolgen davon zu kommen. Long Covid nennen Experten das, wenn eine Corona-Infektion auch Wochen oder gar Monate später noch Symptome verursacht.
Sportmediziner Wilhelm Bloch ist Professor für molekulare und zelluläre Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln und befasst sich aktuell intensiv mit den Veränderungen, die Covid-19 im Blut und im Immunsystem von Sportlern verursacht.
"Das Virus verändert die Erythrozyten, die roten Blutkörperchen, und das bei jedem, unabhängig von der Schwere der Erkrankung", sagt er. Geschädigte roten Blutkörperchen verändern ihre Fähigkeit, Sauerstoff zu binden und an das Gewebe, also auch an die Muskulatur, abzugeben. "Das kann die Leistungsfähigkeit natürlich beeinträchtigen", erklärt Bloch.
Wie sehr Athleten das nach einer Corona-Infektion behindert, sei noch nicht ganz klar:
Zwei Dinge würden aber immer häufiger beobachtet: ein verstärkter anaerober Metabolismus. Das heißt: Die Athleten bilden bei einer Belastung früher als sonst Laktat. Der Körper schaltet also schneller auf eine Energiebereitstellung um, bei der er möglichst wenig Sauerstoff benötigt.
Und ein erhöhter Ruhepuls, oft auch nach Monaten noch. "Am Anfang haben alle noch gedacht, dass liege am Trainingsrückstand", sagt Bloch. "Aber nach drei Monaten noch fünf bis zehn Schläge mehr, das ist zu viel, das kann man mit Trainingsrückstand nicht mehr erklären."
Mangelnde Fitness durch Covid-19
Mehr Laktat, höherer Ruhepuls - das bedeutet mangelnde Fitness. In einem Sportlerleben ohne Covid-19 sind das deutliche Anzeigen für viel zu wenig oder viel zu viel Training.
Sportmediziner Bloch blickt besorgt dem nächsten Jahr entgegen, er befürchtet, dass Long Covid bei Athleten ein Karriereende erzwingen könnte. Weil sie irgendwann merken, dass sie ihren alten Leistungsstand einfach nicht mehr erreichen.
"Das Virus greift zentrale Stellen im Körper an, die Krankheit hinterlässt viele kleine Schädigungen, die wir noch nicht alle einordnen können", so Bloch. Nach schweren Verläufen zeigt sich etwa wie bei Ringer Frank Stäbler oft eine Veränderung der Lunge. Aber auch das Herz kann betroffen sein, selbst nach milden Verläufen, wie bei Para-Tischtennisspielerin Wolf.
Massiver Angriff auf Gefäß- und Immunsystem
Auch neuropsychologische Symptome werden immer häufiger beobachtet. Polyneuropathien, also Erkrankungen des peripheren Nervensystems wie bei Triathletin Blach. Aber auch Stimmungsveränderungen oder eine Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit können sich zeigen.
Das Schlimme an Covid-19 im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen sei der massive Angriff auf das Gefäß- und Immunsystem des Menschen, ist Wilhelm Bloch überzeugt. So können überall im Körper die unterschiedlichsten Schäden angerichtet werden. Selbst Spitzensportler sind von Long Covid betroffen, so viel steht jetzt fest. Und doch sei Sport noch immer der beste Schutz, betont der Sportmediziner.
- Olympia-Impfplan für deutsche Athleten steht
Die Teilnahme deutscher Athlet*innen an Olympia in Tokio rückt näher. Der vorolympische Corona-Impfplan steht jedenfalls - obwohl damit an der Priorisierung gerüttelt wird.