1980 geraten westdeutsche Sportler in die Mühlen der Politik. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan will Kanzler Schmidt den Boykott der Spiele in Moskau - mit Erfolg.
Am Ende durfte sogar ein Sportler eine Rede halten. Das war nicht selbstverständlich an diesem 15. Mai 1980, als es im Inter-Continental-Hotel in Düsseldorf um die Teilnahme der bundesdeutschen Athleten bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau ging. Thomas Bach, Fecht-Olympiasieger von 1976, erinnerte die Sportfunktionäre daran, dass sie auch Mandatsträger der Sportler seien.
Bachs Appell verhallt ungehört
Doch der flammende Appell, der den Anfang Bachs auf dem Weg zum IOC-Präsidenten markierte, verhallte: Die Hauptversammlung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) votierte mit 59:40 Stimmen für einen Boykott der am 30. Juli 1980 beginnenden Moskauer Spiele, die seit dem Dezember 1979, seit dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan, zum Spielball der Politik geworden war.
Die Leidtragenden waren Sportler wie der Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer, der auf Olympiagold programmiert war. Und Heiner Brand, dem als Handball-Weltmeister von 1978 ebenfalls eine große Chance entging, sagte:
Franzosen und Briten scheren aus
Als Frankreich und Großbritannien aus der Boykottbewegung ausscherten, verbitterte das die Athleten noch mehr. Brands Freund Kurt Klühspies indessen zeigte Verständnis:
Boykottbewegungen gehörten von jeher zur Geschichte der Olympischen Spiele. So gab es vor 1936 in Berlin starke Kräfte in den USA, die dem NS-Regime die Propaganda-Bühne verweigern wollten. 1976 in Montreal verzichteten viele afrikanische Staaten wegen des Konflikts um das Apartheid-Regime in Südafrika auf die Teilnahme.
"Sport als politische Waffe"
Vor Moskau übten die USA enormen Druck auf die Verbündeten aus. Schon bei den Winterspielen 1980 in Lake Placid forderte US-Außenminister Cyrus Vance zum Boykott auf. IOC-Mitglieder wie Berthold Beitz lehnten zwar alle Versuche kategorisch ab, "Olympische Spiele als Hebel zur Ausübung politischen Drucks zu benutzen". Aber schon Mitte April informierte Bundeskanzler Helmut Schmidt die deutsche Sportführung über seine Empfehlung, auf die Spiele zu verzichten.
Olympia 1964
Die deutsche Sportführung war gespalten. Während NOK-Präsident Willi Daume den Boykott ablehnte, folgte Willy Weyer, der Präsident des Deutschen Sportbundes, der Linie des Kanzlers. "Der Sport wurde als politische Waffe genutzt, aus guter Absicht", urteilte im Rückblick Gerhart Baum, der damalige Bundesinnenminister. Er apostrophierte die sportpolitische Debatte von 1980 als Zäsur in den Beziehungen zwischen Staat und Sport in der Bundesrepublik.
International wirkte der Boykott noch lange nach: 1984 rächte sich der Ostblock mit dem Verzicht auf die Spiele in Los Angeles.