Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa zeigt sich sportlich unbeeindruckt vom Doping-Wirbel und präsentiert eine fast perfekte Kurzkür.
Nur ein klein wenig ist Kamila Walijewa auf dem Eis von Peking ins Straucheln geraten. Den dreifachen Axel überdrehte die 15-jährige Eiskunstläuferin aus Russland in ihrem olympischen Kurzprogramm. Den Rest des Programms absolvierte sie mit der gewohnten Leichtigkeit einer Primaballerina, Walijewa geht damit als Führende in die olympische Kür am Donnerstag. Trotz allem.
Zwischen Lachen und Weinen
Als sie vom Eis kam und von Trainerin Eteri Tutberidze im Empfang genommen wurde, schwankte die junge Läuferin zwischen Lachen und Weinen. Der Druck, dem sie während der vergangenen Tage ausgesetzt war, schien von ihr abzufallen.
Der Fall Walijewa sorgte in den letzten Tagen immer wieder für neue Schlagzeilen. Da war zuerst der positive Dopingtest auf Spuren des verbotenen Herzmittels Trimetazidin. Die Probe stammte von den russischen Meisterschaften am 25. Dezember, wurde von einem Stockholmer Labor aber erst während der Spiele übermittelt, just nachdem Walijewa mit dem russischen Team in Peking Gold gewonnen hatte. Eine überzeugende Erklärung für diese Verzögerung gibt es bisher nicht.
Spuren von Opas Medizin?
Es folgte eine Diskussion darüber, ob Walijewa in Peking im Einzel starten dürfe, der Sportgerichthof CAS gab unter Vorbehalt seine Zustimmung, verwies darauf, dass die Sportlerin minderjährig sei und somit besonderen Schutz genieße. Nach den Winterspielen soll die Angelegenheit geklärt werden.
Die Anwälte der russischen Eiskunstläuferin führten derweil zur ihrer Verteidigung an, die positive Probe könnte durch eine Verunreinigung mit einem Medikament, das Walijewas Opa eingenommen hatte, zustandegekommen sein. Russischen Medien zufolge habe Walijewas Anwältin in der Cas-Anhörung darauf verwiesen, die Eiskunstläuferin könne aus einem Glas getrunken haben, das zuvor ihr Großvater genutzt habe.
Wie groß der Druck für Walijewa war, zeigte sich schon im Training in der vergangenen Woche, als sie nach einem Sturz auf dem Eis in Tränen ausbrach. Am Tag vor dem Kurzprogramm gab sie dem russischen Fernsehen ein Interview und weinte, als sie erklärte: Sie fühle sich "emotional leer". In der Heimat erfährt sie derweil enormen Zuspruch. Im Zentrum Moskaus wurden in den vergangenen Tagen Plakate mit ihrem Foto aufgehängt, auf denen zu lesen war. "Kamila, wir sind bei dir."
Künstlerisch besonders wertvoll
Walijewas Auftritt wurde somit mit größter Spannung erwartet. Und da stand die schmale Läuferin nun in ihrem violett-weißen Kostüm auf dem Eis im olympischen Capital Indoor Stadium und zeigte, dass sie zurecht ein Wunderkind genannt wird. Nach der anfänglichen Unsicherheit beim dreifachen Axel schwebte sie übers Eis in ihrem Programm, das sie ihrer verstorbenen Großmutter gewidmet hat. Der dreifache Flip und die Kombination aus dreifachem Lutz und Toeloop gelangen ihr tadellos.
Ihre fließenden Bewegungen, die Schlittschuhtechnik, die Geschmeidigkeit bei den Pirouetten - alles stimmte und war perfekt. Walijewa, die als Fünfjährige mit ihrem Sport begann, zeigte, dass Deutschlands Olympiasiegerin Katarina Witt recht hat mit ihrer Einschätzung, die Russin sei für ihr junges Alter künstlerisch sehr weit.
Konkurrenz aus dem eigenen Team
Als einzige Konkurrentin konnte die Moskauer Teamkollegin Anna Scherbakowa mithalten, die ebenfalls von Tutberidze trainiert wird. Mit 80,20 Punkten liegt sie hinter Walijewa (82,16) auf dem zweiten Platz. Auf Rang drei folgte die Japanerin Kaori Sakamoto (79,84).
In der Kür, für die sich die deutsche Meisterin Nicole Schott auf Platz 14 qualifiziert hat, dürfte es spektakulär zugehen. Denn dann werden die Läuferinnen ihre Vierfachsprünge zeigen, die in der Kurzkür nicht erlaubt waren. Nicht nur Walijewa springt vierfach, auch Scherbakowa - und die dritte Läuferin aus dem Team Tutberidze, Alexandra Trussowa, die nach der Kurzkür auf Rang vier liegt.
Falls Walijewas Nerven wieder halten und sie aufs olympische Podium kommt, werden in Peking keine Medaillen vergeben. Denn nach den Winterspielen sollen erst die Dopingvorwürfe abschließend erörtert werden.
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