Die in der Kritik stehenden Olympischen Spiele in Peking hielten viele goldene Gänsehaut-Momente, aber auch einige Tiefpunkte parat. Ein Rückblick.
An den Olympischen Spielen in Peking gab es im Vorfeld viel Kritik: Fragwürdige Klimabilanz , schwierige Menschenrechtslage und Olympia unter Corona-Bedingungen. Letztlich entschieden sich deutsche und internationale Athleten dennoch, für ihre Sportarten in Peking an den Start zu gehen. Das sorgte für viele goldene Momente, aber auch einige Tiefpunkte. Die große Analyse:
Fall Walijewa überschattet Olympia
Diese Spiele werden immer mit dem Namen Kamila Walijewa verbunden sein. Der Dopingfall des 15-jährigen Eiskunstlauf-Wunderkinds aus Russland wirft Schatten auf eine sportliche Höchstleistung. Selbst das IOC, zu Menschenrechtslage und Klimabilanz im Gastgeberland China um keine noch so absurde Schönrederei verlegen, wirkt in der Causa Walijewa hilflos und muss sich dem Cas-Urteil beugen, durch das die Eiskunstläuferin trotz positiver Dopingprobe aus dem Dezember nach Gold im Teamwettbewerb auch im Einzel starten darf.
Ein Teil der Begründung: Als 15-Jährige sei sie besonders schutzbedürftig. Ihr könne kein Start verwehrt werden, solange das Dopingvergehen nicht abschließend geklärt sei. Von besonderem Schutz war dann im Einzel wenig zu sehen, es wurde ein befremdlicher Spießrutenlauf für das Mädchen, mit dem man am Ende nur noch Mitleid haben musste. Nach mehreren Stürzen, Tränen und Vorwürfen ihrer Trainerin ("Warum hast du alles so aus den Händen gegeben? Warum hast du aufgehört zu kämpfen? Erklär mir das!") wurde die tragische Figur Vierte. IOC-Chef Thomas Bach zeigte sich "verstört" von der "emotionalen Kälte". Komisch, bei in Straflagern gefangen gehaltenen Uiguren scheint er deutlich entspannter zu sein.
Skispringer zufrieden, doch die Frage nach den Anzügen bleibt
Trotz Problemen mit der Schanze holte Top-Skispringer Karl Geiger am Ende zweimal Bronze – einmal von der Großschanze und einmal im Teamwettbewerb. Es hätte durchaus eine mehr sein können, wäre Katharina Althaus im Mixed-Team nicht wegen eines angeblich zu großen Anzugs disqualifziert worden – wie weitere Top-Nationen auch. Die Silber-Gewinnerin von der Normalschanze war im Anschluss untröstlich, Verantwortliche des DSV fassungslos.
- "Desaster", "gebrochenes Herz", viel Kritik
Nach dem Mixed-Teamspringen mit zahlreichen Disqualifikationen reißt die Kritik an den Verantwortlichen nicht ab. Die enttäuschte Springerin Althaus bleibt untröstlich.
Dass ausgerechnet bei Olympia die Kontrollen deutlich strenger ausgefallen sein sollen als im Weltcup, verstand wohl nur die Kontrolleurin selbst. Der Skiverband Fis ist dringend gefordert, die Regeln transparenter zu gestalten. An dem Beigeschmack, den der olympische Mixed-Team-Wettbewerb von Peking trägt, wird aber auch das nachträglich nichts ändern.
Ski Alpin: Silber-Trost im Team
Im letzten Wettbewerb wurde doch noch eine alpine Medaille gewonnen. Silber im Team tröstete über zwei schmerzhafte vierte Plätze hinweg. Sieben und 14 Hundertstel: Das waren die Abstände, die Lena Dürr im Slalom und Kira Weidle in der Abfahrt von einer Medaille trennten. Während Dürr sich zumindest im Team mit Silber belohnte, fährt Weidle ohne Medaille nachhause. Das ist die bittere Realität von Olympia.
Versöhnlicher Abschluss der Biathletinnen – aber was dann?
Es begann mit einer überraschenden Gold-Medaille im Einzel für Denise Herrmann, danach folgten viele Fragezeichen. Skijäger und Skijägerinnen liefen nur in den Staffeln ernsthaft um Medaillen mit, die Männer schossen sich aber im letzten Anschlag raus. Immerhin gelang den Frauen mit der für die Zukunft äußerst vielversprechenden Vanessa Voigt der Sprung zu Bronze. Bis auf Herrmann verkörpert aber aktuell niemand im so beliebten Biathlon-Zirkus absolute Weltspitze. Die Fragezeichen werden auch nach Olympia bestehen bleiben.
Kombinierer trotzen Corona
Das von Corona gebeutelte Team der Nordischen Kombinierer trotzte den Ausfällen und stellt mit Vinzenz Geiger den Olympiasieger von der Normalschanze. Der Medaillen-Abonnent musste im Team ordentlich kämpfen und holte mit einem völlig entkräfteten Eric Frenzel, der gerade erst aus einer elftägigen Corona-Isolation entlassen worden war, am Ende noch Silber.
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Rodeln, Bob, Skeleton: Deutschland unangefochten im Eiskanal
Von zehn möglichen Goldmedaillen im Eiskanal holte Deutschland neun. Im Rodeln gab es vier, im Skeleton unter anderem einen Doppelerfolg, im Zweierbob der Männer gar einen historischen kompletten Medaillensatz. "King of Bob" Francesco Friedrich machte mit zwei Goldmedaillen seinem Namen alle Ehre; die Rodler Natalie Geisenberger, Tobias Wendl und Tobias Arlt sind nun die erfolgreichsten deutschen Winter-Olympioniken aller Zeiten.
Noch Fragen? Vielleicht, warum diese Jahrhundertsportler abseits von Olympia meist dennoch unter dem Radar der nationalen Öffentlichkeit fliegen. Selbst im Wintersport-Kosmos liegen die Eiskanal-Sportarten bei TV-Quoten und Beliebtheit hinter den Branchenprimen Biathlon und Skispringen, auch alpine Wettbewerbe sind populärer. Diese Ausnahmeleistungen hätten aber auf jeden Fall noch mehr Aufmerksamkeit verdient.
Langläuferinnen sorgen für Sensationen
Will man bei all diesen Spitzenleistungen und Medaillen überhaupt noch eine herausstellen, sollte es die der deutschen Langläuferinnen sein. Nachdem Katharina Hennig und Victoria Carl - zuvor nie ein Weltcup-Rennen gewonnen - schon in der Staffel alle mit dem Gewinn der Silbermedaille überraschten, setzten sie im Teamsprint noch einen drauf. Carl, die erst am Morgen des Wettbewerbs wegen körperlicher Probleme ihrer Teamkameradin Katherine Sauerbrey für den Wettkampf nominiert wurde, zeigte eine famose Schlussrunde und bot den favorisierten Läuferinnen die Stirn.
Allein schon als sich ein Gewinn der Bronze-Medaille abzeichnete, gab es kein Halten mehr. Doch Carl schob sich, angepeitscht von TV-Kommentatoren, Zuschauern in heimischen Wohnzimmern und Betreuern an der Strecke, auf den letzten 100 Metern mit kräftigen Schüben noch an Schweden und Russland vorbei und drückte sich von einem Freudenschrei begleitet als Erste über die Ziellinie. Gold.
Ihre Duo-Partnerin Hennig konnte es kaum glauben, schlug sich die Hände vors Gesicht. Trainer Peter Schlickenrieder, der an diesem Tag seinen 52. Geburtstag feierte, hielt in keinem Interview seine Tränen zurück. Bei all den Superlativen der Spiele, den Rekorden, den Highlights muss man immer vorsichtig sein, aber das war sie: Eine Sensation. Ein Gänsehaut-Moment. Auf ihn hätte man bei einem Boykott der Spiele verzichten müssen. Doch wäre das im Sinne des Sports gewesen?