Die Einteilung in Wettkampfklassen galt für viele Athleten bis Ende 2020. Mit der Verschiebung der Tokio-Spiele wurde sie nicht verlängert. Das könnte böse Überraschungen bringen.
Wenige Monate vor dem größtmöglichen Wettbewerb von dessen Verschiebung zu erfahren, ist schlimm für Athleten. Viele Sportler hat im vergangenen März die Absage der Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tokio und deren Verlegung auf 2021 in ein tiefes Loch gestürzt.
Mühsam mussten sie sich neu motivieren, wieder in die gewohnte und nötige Trainingsroutine finden, Zuversicht fühlen bei all der Ungewissheit, die durch die Corona-Pandemie gekommen ist.
- Amalia Sedlmayr, ohne Füße in ein neues Leben
Nach einer unwissentlich selbst herbeigeführten Bleivergiftung kämpft Amalia Sedlmayr bis heute mit den Folgen. Doch der Traum von einer Paralympics-Teilnahme gibt ihr Kraft.
Karl Quade: Unfreiwillige Abreise 1992
Vielen ist das gelungen, das verdient höchsten Respekt und Anerkennung. Aber einigen Para-Sportlern droht nun neues Ungemach. Eines, das Karl Quade, langjähriger Chef de Mission des deutschen Teams und selbst zweimaliger Paralympics-Sieger im Standvolleyball, 1992 in Barcelona selbst erlebte - und das er nun wirklich niemandem wünscht.
Er reiste seinerzeit nach Barcelona, damals als Kugelstoßer, und erfuhr dann vor Ort, dass seine Behinderung, eine angeborene Fehlbildung des Fußes, nicht für eine der Startklassen anerkannt wurde. Er wurde aussortiert und musste zuschauen.
Dauerthema Wettkampfklassen
Die Wettkampfklassen sind im Behindertensport ein Dauer-Diskussionsthema. Dabei werden die Athleten von Fachleuten getestet und begutachtet, die dann entscheiden, ob und in welche Startklasse der jeweilige Sportler eingruppiert wird.
Vor allem bei fortschreitenden Krankheiten wie einer Seebehinderung oder einer Spastik muss das immer wieder überprüft werden, damit es innerhalb der Startklassen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt.
- Mathias Mester, der Mutmacher
Der paralympische Spitzensport wurde durch die Pandemie noch deutlicher ausgebremst als der olympische, dennoch streben deutsche Athleten entschlossen den Tokio-Spielen entgegen.
Corona bringt vieles durcheinander
Oft endet so eine Zuordnung mit einem olympischen Zyklus. Was ja sinnvoll ist. Damit, dass Paralympische Spiele verschoben werden könnten, konnte ja bislang niemand rechnen. Und auch nicht damit, dass der Wettkampfkalender und damit die Möglichkeiten zu Klassifizierungen in den Monaten vor den Paralympics durch eine Pandemie arg eingeschränkt werden könnten.
Dies alles ist aber nun der Fall. Und deshalb hätte sich Karl Quade gewünscht, dass die paralympischen Athleten ihre Zuordnung einfach ein weiteres Jahr behalten.
Einteilung vor Ort möglich
Doch das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hat entschieden, dass diesmal bei den Spielen vor Ort in Tokio noch klassifiziert werden kann. Das hatte man eigentlich abgeschafft, um Fälle wie jenen von Karl Quade 1992 in Barcelona zu vermeiden.
Denn vorbereitet, qualifiziert und angereist zu sein, und dann nicht mitmachen zu dürfen oder überraschend in eine ungünstige Startklasse verschoben zu werden, ist wohl noch schlimmer als eine Verschiebung der Spiele einige Monate vor dem Highlight.
Keine "Zero-Games-Classification-Policy"
Die so genannte "Zero-Games-Classification-Policy" wird also für Tokio ausgesetzt. In zehn Sportarten (Leichtathletik, Boccia, Kanu, Radsport Bahn und Straße, Judo, Rudern, Sitzvolleyball, Schwimmen, Rollstuhl-Rugby und Rollstuhl-Tennis) kann vor Ort noch klassifiziert werden.
Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) werde alles daran setzen, damit die eigenen Athleten von Vor-Ort-Klassifikationen verschont bleiben, sagt Quade. Doch einfach wird das nicht, da der Wettkampfkalender in vielen Sportarten auf Grund der Corona-Pandemie auf sehr wackligen Beinen steht.
Ärgerlich, aber erträglich
Am Ende sind ja alle froh, wenn die Paralympics in diesem Jahr überhaupt stattfinden. Und sei es auf ganz andere Art als gewohnt. Die "übelsten Maßnahmen" seien wohl nötig, sagt Quade.
Etwa das Einreiseverbot für ausländische Fans oder die strikten "Hygiene-Blasen", in denen sich die Athleten werden aufhalten müssen. Ärgerlich sei das alles, findet Quade, aber irgendwie erträglich. Denn: "Wenn die Paralymics ausfallen würden, wäre das für viele Sportler wirklich dramatisch. Und eine weitere Verschiebung ist nicht realistisch."
- Vielleicht "der" Klick zum Paralympics-Sieg
Damit eine paralympische Karriere nicht vom Zufall abhängt wie bei Niko Kappel oder Mareike Miller, gibt's jetzt eine neue Website mit Infos rund um den Para-Sport.