Mit einem starken Kader geht Deutschland bei den Paralympics in Tokio an den Start. Eklats wie beim deutschen Olympia-Team soll es tunlichst nicht geben.
Mit dabei sind ein "Bladejumper", ein "German Wunderkind" und ein "Außenminister". Dazu ein im Einsatz verletzter Bundeswehrsoldat, eine stillende Mutter, ein "Playboy"-Coverstar und "Tante Irmie": Es sind echte Typen und eine illustre Truppe, die Deutschland von Dienstag an bei den Paralympics ins Rennen schickt. Mit hohen sportlichen Zielen. Und mit einer klaren Vorgabe:
Ein Großteil des deutschen Paralympics-Teams ist am Dienstag von Frankfurt aus nach Japan geflogen - und wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verabschiedet.
Eklats wie der "Hol die Kameltreiber"-Ruf von Rad-Sportdirektor Patrick Moster oder das Verhalten von Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner gegen das verweigernde Pferd von Gold-Favoritin Annika Schleu soll es beim Team D Paralympics keinesfalls geben.
"Es geht uns um eine Demonstration sportlicher Leistungen, aber auch sozialer Kompetenz und die Verkörperung einer Vorbildfunktion", betont Quade. Die Sportler sollen im Wettkampf für Aufsehen sorgen, so Quade, "Corona hin oder her".
Der dreifache Paralympics-Sieger Markus Rehm vor dem Abflug nach Tokio über seine Sorge vor einer Corona-Quarantäne und seinen Kampf um einen Start bei Olympischen Spielen.
Stärkere internationale Konkurrenz
Bei den Spielen in Rio belegte der DBS Rang sechs im Medaillenspiegel. Damit wäre man diesmal wohl zufrieden, auch wenn ein offizielles Ziel nicht ausgegeben wird. Doch die Konkurrenz erscheint in vielen Sportarten und Disziplinen größer.
Verbands-Chef Beucher ist aber sicher: "Wenn unsere Athleten im Wettkampf das abrufen, was sie im Vorfeld gezeigt haben, ist mir um eine große Erfolgsausbeute nicht bange."
Rehm will Rekord angreifen, Kappel um Gold stoßen
Sicherster Gold-Kandidat ist Weitspringer Markus Rehm. Mit seinem Weltrekord bei der EM von 8,62 Meter lag der "Bladejumper" mehr als anderthalb Meter vor der Konkurrenz. In Tokio will er "den Rekord nochmal angreifen".
Zu den Goldkandidatinnen gehört auch Irmgard Bensusan, die 2016 in Rio dreimal Silber und bei der Para-WM Gold gewann. Kürzlich machte die von allen "Tante Irmie" genannte Sprinterin ihre Depressionen nach ihrem Unfall 2009 öffentlich. Ebenfalls um Gold stößt Rio-Sieger Niko Kappel, wegen seines Sitzes im Gemeinderat von Welzheim und seinem Mandat als Athletensprecher auch "Außenminister des DBS" genannt. Auch Sprintstar Johannes Floors zählt zu den deutschen Medaillenfavoriten. In Tokio will er zum Sieg über die 400 Meter sprinten.
Mentale Stärke kann auch bei den Paralympics Ausschlag gebender Faktor sein. Top-Kugelstoßer Niko Kappel holt sich Rat unter anderem beim ZDF-Experten Matthias Berg.
Rollstuhlsprinterin Merle Menje, nach zwei Goldmedaillen bei der EM als "German Wunderkind" betitelt, bremst derweil die Erwartungen. "Meine Konkurrenz kommt vor allem aus Übersee", sagt Menje, die am Abreisetag zu den Spielen 17 wurde. "Ich will bei diesen Spielen vor allem lernen."
Ein Afghanistan-Veteran und eine stillende Mutter
Im Schießen ist Afghanistan-Veteran Tim Focken der erste im Einsatz verletzte Bundeswehrsoldat. Im Einer-Kajak kann Ex-Basketballerin Edina Müller teilnehmen, weil die stillende Mutter Sohn Liam entgegen erster Planung nach Tokio mitnehmen darf. Vor allem den Goalballern wird zugetraut, den Mannschafts-Fluch von Olympia in den Teamsportarten zu beenden. Ihr Ziel: Gold.
Mütter im Spitzensport: Edina Müller, Lisa Altenburg oder Kira Walkenhorst.
Wiedergutmachung müssen die Schwimmer betreiben, die in Rio erstmals goldlos blieben. Größte Hoffnungsträgerin ist Elena Krawzow. Die sehbehinderte Berlinerin sorgte im Vorjahr nicht nur als "Playboy"-Coverstar für Aufsehen, sie hält auch fünf Weltrekorde.