Warum dürfen Russland und Belarus doch nicht bei den Paralympics starten? ZDF-Experte Matthias Berg vermutet: Die Veranstalter wollen verhindern, dass andere Nationen zurückziehen.
Kurz vor der Eröffnungsfeier (12:50 Uhr, live ZDF/sportstudio.de) hat das Internationale Paralympische Komitee (IPC) Russland und Belarus nun doch von den Paralympics in Peking ausgeschlossen. Tags zuvor hatte die Sache noch ganz anders ausgesehen.
ZDFheute: Warum hat das IPC die Kehrtwende vollzogen?
Matthias Berg: Vor allem wegen des Drucks der Nationen, die sonst ihre Teilnahme verweigert hätten.
ZDFheute: Das IPC hat sich zwar entschuldigt. Aber wie muss man die Entscheidung vom Vortag verstehen, die konträr zu den anderen Sportverbänden inklusive IOC stand?
Berg: Ich hatte wie der Deutsche Behindertensportverband keinerlei Verständnis dafür. Das IPC hat sich hinter seiner Satzung versteckt und befürchtete wohl Schadensersatzklagen. In Rio 2016 hatte das IPC entschieden, die Russen wegen ihres Staatsdoping-Systems auszuschließen, obwohl sie bei Olympia starten durften.
Entsprechende Klagen gegen die IPC-Entscheidung haben der Sportgerichtshof CAS und Zivilgerichte abgeschmettert. Aber was ist das für eine krude Gewichtung von Fehlverhalten: Wegen Dopings schließt das IPC 2016 eine Nation aus.
Gut, dass diese Entscheidung noch rechtzeitig revidiert wurde. Die klare deutsche Haltung war dabei sicher mit ausschlaggebend.
DBS-Chef Friedhelm-Julius Beucher begrüßt die veränderte Entscheidung des IPC, russische und belarussische Athleten von den Spielen in Peking auszuschließen.
ZDFheute: Von wegen olympischer Frieden, der eigentlich auch während der Paralympics gilt. Was für eine Rolle spielt diese Vereinbarung überhaupt noch?
Berg: Im vergangenen Jahr haben alle Nationen einen Vertrag unterschrieben, dass eine Woche vor Olympia bis eine Woche nach den Paralympics Friedenspflicht herrscht - inklusive Russland und Belarus. Die Realität zeigt, dass sich Russland um geschlossene Verträge nicht schert, wenn sie nicht ins politische Kalkül passen.
ZDFheute: Einen schwierigeren Start kann man sich kaum vorstellen: Inwieweit beeinflussen die Sportlerinnen und Sportler diese ganzen Umstände - Corona nicht zu vergessen?
Berg: Du kannst vor Ort das Thema nicht ausblenden. Das wird beim Frühstück, Mittagessen und zwischendrin immer eine große Rolle spielen. Egal welches Medium du einschaltest, du siehst immer den Krieg in der Ukraine. Und wenn du dich in China in der Blase umguckst, dann hast du immer Corona vor Augen.
Ich hoffe, dass die Trainerinnen und Trainer ihre Mannschaften darauf gut vorbereiten.
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ZDFheute: Welche Signale können von diesen Paralympics in Peking ausgehen?
Berg: Ich bin nicht sicher, ob diese Paralympics überhaupt eine Signalwirkung haben können. Der Ukraine-Krieg und die Menschenrechtssituation in China sind einfach extrem dominant.
Aber ich bin ja grundsätzlich optimistisch. Deshalb hoffe ich, dass die Paralympics auch in diesem Jahr ein positives und nachhaltiges Signal für soziale Integration von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaften dieser Welt aussenden können.
ZDFheute: Was erwarten Sie persönlich von diesen Winterspielen, deren Eröffnung Sie mit kommentieren?
Berg: Ich hoffe, dass alle Athletinnen und Athleten das zeigen können, wofür sie jahrelang trainiert haben. Und dass Deutschland sich als eine Nation präsentiert, die sportliche Fairness, Höchstleistung, Demokratie und Menschenrechte verkörpert.
Das Interview führte Gerhard Crispin