Rodel-Urgestein Georg Hackl wechselt als Trainer zum Erzrivalen Österreich. Der deutsche Rodelsport verliert eine Menge an Expertise. Die Folgen könnten beträchlich sein.
Unglaubliche 38 Olympiasiege haben die deutschen Rodler seit den Olympischen Spielen von 1964 eingefahren. Bei den Winterspielen von Peking war noch einmal die Maximalausbeute von vier Goldenen hinzugekommen. Doch die deutsche Dominanz im Eiskanal ist gefährdet. Spätestens, nachdem Rodel-Legende Georg Hackl als Trainer beim Erzrivalen Österreich angeheuert hat.
Bei seiner Vorstellung als neuer Chef im Austria-Team berichtete Hackl: "Das Angebot war natürlich lukrativ – und es war schon seit mehreren Jahren von österreichischer Seite an mich herangetragen worden." Nun war für ihn der passende Zeitpunkt. Der 55-Jährige wird sich wie schon in Deutschland vor allem um das Thema Material kümmern.
Verband bedauert Abgang - trotz Reibereien
Beim deutschen Bob- und Schlittensportverband (BSD) wird der Abgang unisono bedauert – von Sportlern wie Trainern. "Ich habe lange mit Georg gesprochen. Er hat den Wechsel als letzte Chance gesehen, sich beruflich noch mal weiterzuentwickeln", so Verbands-Sportchef Thomas Schwab.
Dass es immer mal wieder Reibereien zwischen dem von Hackl als Stützpunkttrainer am Königssee betreuten "Team Sonnenschein" und anderen deutschen Rodel-Hochburgen gegeben hat, gilt als offenes Geheimnis. Schmutzige Wäsche will deshalb niemand waschen. "Ich habe mit meinen Schützlingen immer an einem Strang gezogen. Den Rest möchte ich nicht thematisieren", sagte Hackl dazu.
Da klingt schon durch, dass die Rodel-Legende dem Verband beweisen will, wie groß sein Anteil am Goldregen der letzten Jahrzehnte war. Zwischen 1988 und 2006 hatte Hackl zunächst als Athlet die Rodelbahnen dieser Welt gerockt. Dreimal Gold und zweimal Silber gewann der Ur-Bayer bei Olympia, dazu zehn WM-Titel.
Material-Tüfler der Extraklasse
Ein wichtiger Grund für seine sportlichen Erfolge war damals die stetige Weiterentwicklung des Materials. Diese Expertise brachte Hackl auch in der nachfolgenden Trainer-Laufbahn ein. Der Jahrgangsbeste an der deutschen Trainer-Akademie von 2009 (Durchschnitt 1,1) war als Techniktrainer mitverantwortlich für die deutsche Material-Überlegenheit im Eiskanal. Und formte als Stützpunkttrainer am Königssee das Team, das für einen Großteil der deutschen Rodel-Erfolge der letzten Jahre verantwortlich ist.
Auch der größte Teil des jüngsten Olympia-Goldregens ging durch die deutsche Rekord-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger und Tobias Wendl/Tobias Arlt auf das Konto von Hackl.
Österreich setzt auf Hackl-Faktor
Dennoch spielte er als Coach in der öffentlichen Wahrnehmung eine Nebenrolle im Schatten von Bundestrainer Norbert Loch – auch das könnte für den Wechsel des einstigen Dominators der Eisbahnen eine Rolle gespielt haben. Dass ihm ausgerechnet sein einstiger sportlicher Erzrivale Markus Prock – jetzt Präsident des Österreichischen Rodelverbandes – ein Angebot unterbreitete, war für Hackl das Tüpfelchen auf dem I: "Das hat mich sehr gefreut."
Der Tüftler bringt sein in der Rodel-Welt einmaliges Knowhow nun zu einem Team, das auch bei den Winterspielen von Peking mit zweimal Silber und einmal Bronze schon die Nummer 2 hinter Deutschland war. Weltmeisterin Madeleine Egle oder die Doppelsitzer Thomas Steu/Lorenz Koller waren ohnehin schon nahe dran an den Deutschen. "Sicherlich wird es nicht einfacher für uns", weiß der dreimalige Olympiasieger Felix Loch. Wie groß der Hackl-Faktor tatsächlich ist, wird sich erst im nächsten Winter beim großen Rodel-Duell zwischen Deutschland und Österreich zeigen.